Samstag, 16. August 2014

Copine Teil II - Hollywood läßt grüßen!

Flashback (in schwarz-weiss, wie es sich für einen ordentlichen Rückblick gehört. Und auch nicht in HD, sondern eher in Super 8-Qualität):

Wir schreiben das Jahr 1976.
Im zarten Alter von sechs Jahren baue ich mich vor meinen Eltern auf (was gar nicht so einfach ist mit nur 1.10m Körpergröße) und überreiche meinen Wunschzettel für Weihnachten. Im Juni, wohlgemerkt! Ganz oben auf Rang 1 prangt meine Version kindlicher Interpretation eines Pferdes. Schreiben konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, denn die Schule fing für mich ja erst im August an. Zugebenerweise hätte man auf dem liebevoll verzierten Zettel auch einen Hund, eine Ziege oder ein Kamel erkennen können. Aber die Hufeisen an den Füßen signalisierten auch dem Laien ganz klar: Bei diesem sehnlichen Weihnachtswunsch handelt es sich um ein Pferd (oder Pony).
Lachend warf mein Vater den Zettel in den Papierkorb. "Du hast doch gerade erst ein Schwesterchen bekommen. Da brauchst du kein Pferd."

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Erschrocken schaute ich den stiebenden Funken  von Copines Hufeisen hinterher, in der Hand hielt ich noch ein paar Haare aus dem verlesenen Schweif. Der potenzielle Käufer schaut nicht weniger verschreckt. Wo ist Copine?
Klar ahnte ich, wo sie hingelaufen ist.  Zurück in ihren Stall eine Straße weiter unterhalb. Ich holte ein anderes Halfter und machte mich auf die Socken, sie wieder herbeizuholen. Ihr Besitzer redete derweil auf die Käuferschar ein: "...ist ein wenig schreckhaft...macht sie nicht immer, nein... sie gewöhnt sich rasch an fremde Menschen."
Ich fand die Stute vor ihrem Stall, die Tür war zu. Ihre Augen waren riesig, panisch, die Ohren gingen hin und her. Sie zitterte. Ich zog ein Leckerlie aus der Tasche und schob es ihr ins Maul, um ihr das Ersatzhalfter überzustreifen. Immer noch hastig atmend folgte sie mir zurück an den Anbindeplatz. Ihr Blick war ebenso skeptisch wie meiner, denn drei von den vier Leuten hatten Reithosen und Stiefel an. Die wollen doch nicht alle jetzt auf Copine reiten??
Der Chef hatte schon den Sattel geholt und legte ihn direkt auf ihren Rücken. Sein schmaler  Mund verhiess nicht gerade beste Stimmung. Aber er musste gute Mine zum bösen Spiel machen.
Drei Minuten später sass ich auf und ritt unter den neugierigen Augen der Käufer und ein paar Runden im Schritt durch die Bahn. Ich sollte sie lösen und danach sollte das Probereiten stattfinden. Na, ob die aber heute locker wird? dachte ich still.
"Nun trab mal an", forderte der Chef nach wenigen Minuten. Er wurde ungeduldig. Ich ließ Copine mit langem Hals traben und dachte gar nicht daran, sie irgendwie an die Hilfen zu stellen. Einfach mal durchhängen. Es war nun auch schon später am Abend.
Sein irritierter Blick brachte mich innerlich zum Grinsen. Schon murmelten die Leute an der Bande. Sie wollten ja ein dressurorientiertes Freizeitpferd für die ganze Familie.
"Mach sie mal ein bisschen runder", zischte der Chef mir zu. Ich nahm ein wenig Zügel auf ohne nachzutreiben. *Bing* ging die Nase nach oben. Der Trab wurde sehr viel unbequemer.
"Lass mal galoppieren!" Kaum war das ausgesprochen, preschte Copine los wie vom wilden Wutz gebissen. Hatte sie mich durchschaut und wir liefern hier gerade eine Vorstellung ab, die Hollywood begeistern sollte?
Schneller und schneller kamen die kurzen Seiten auf mich zu. "Brrr, Mädchen" machte ich. Musste ja nicht noch was passieren, ne?
Copine verlangsamte ihre wilde Gangart, schnorchelte noch einmal laut aus, hob den Schweif und tänzelte auf unseren Chef zu. Ich glaube heute noch, ein leises Grinsen in ihrem Gesicht entdeckt zu haben.
Nun wurde es ernst. Die Aufsitzhilfe wurde geholt. Der Familienvater schickte sich an, diese zu erklimmen.
"Äh, Ladys first, würde ich sagen!" sagte der Chef. Copine ist schließlich ein wenig männerscheu, wie sie schon eindrucksvoll demonstriert hatte. Die Tochter kam nun auf uns zu. Ich half ihr in den Sattel, strich Copine noch einmal über die Nüstern und setzte mich dann mit Abstand auf die Tribüne. Der Chef holte derweil ein paar Ausbinder und verschnallte sie.
Das Mädel ritt nicht einmal schlecht, aber die Stute hatte nun mal keine Lust mehr und ich hatte sie zugegebenerweise etwas überdreht, was der Trakehner in ihr dankbar angenommen und zu Höchstleistungen angetrieben hat. Schließlich wohnten zwei Seelen in ihrer Brust, einmal der arbeitswillige, ehrliche Westfale aus der Frühling-Linie und zum anderen ein etwas verrückter, hysterischer Yuppie mit vielen kreativen Ideen, wenn es darum geht, seinen eigenen Kopf durchzusetzen, namens Cyrian. Sein Großvater trägt den vielversprechenden Namen "Cyklon" und eine Elchschaufel auf dem Po.
Während ich darüber sinniere, ob auch Pferde so ein Engelchen und Teufelchen zwischen den Ohren sitzen haben, versucht das Mädchen, Copine zu einem Traberchen zu bewegen. Erstmal nichts, dann, nach zwei-dreimal klapsen mit der Gerte, trabt Copine an und schaut dabei wie Schulpferd Lotte in der Anfängerstunde. Ihre langen Ohren signalisieren einen gewissen Gleichmut, gepaart mit "Was will die von mir?" und ich könnte sie allein für diesen Ausdruck knuddeln. Gleichzeitig reifte in mir ein Entschluss.
Ein kleines Galöppchen bringen sie noch zustande und jetzt reicht es dem Pappa. Nun will er angreifen und schnallt sich ein paar Sporen um. "Christina, nun lass mich mal drauf!"
Oh oh. Wenn das mal gutgeht. Während das Töchterlein strahlend absteigt, hat der Vater ein Cavaletti entdeckt und will anscheinend demnächst für Deutschland starten. Todesverachtend stellt er das Cavaletti bei X in die Bahn, schwingt sich auf Copine, die leise ächzt, wirft die zuvor ausgeschnallten Ausbinder krachend auf die Bande "Sowas brauch' ich nicht, ich reite Jagden!" und unterbricht den nun folgenden Fluchtversuch der Stute mit einem energischen Ruck an den Zügeln. Copine steht erstarrt und tut mir nun richtig leid. Der Chef springt in die Bahn, um durch ein wenig Coaching Schlimmeres zu verhindern. Das hat er auch nicht erwartet, aber der Kunde ist schließlich König. Wobei die meisten Könige ja einigermaßen Reiten gelernt haben.
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 Flashback, Herbst 1976 (knisternder Ton im Analogmodus):

"Oma, schenkst du mir ein Pferd zu Weihnachten?"
"Kind, das ist aber doch viel zu teuer!"
"Der Papa hat mich ausgelacht."
"Irgendwann bekommst du dein Pferd. Werde erst einmal eine gute Schülerin, dann lacht dich der Papa auch nicht mehr aus."
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 Fortsetzung folgt!
 Schalten Sie wieder ein, wenn Sie erfahren möchten, ob der Notarzt noch Bereitschaft hat, ob aus dem Cavaletti Kleinholz und/oder aus Copine ein Familienpferd wird. Es bleibt spannend und falls Hollywood Drehbuchanfragen stellen möchte, ich bin für Gespräche offen.

Falls euch heute noch jemand begegnet, der seine Fähigkeiten gnadenlos überschätzt, seid nachsichtig mit ihm! . ;-)






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