Donnerstag, 25. Dezember 2014

Weihnachten bei den Schmitzens

Das Wohnzimmer wirkt verwohnt-gemütlich: Ein Weihnachtsbaum (mit ökologisch abbaubaren Bienenwachs-Echtkerzen)  ist aufgestellt und vom Heiligen Abend hängt noch der Qualm der gelöschten roten Kerzen im Raum. Der Adventskranz hat schon bessere Zeiten erlebt und überall liegt noch Geschenkpapier herum, nach der Bescherung zerfetzt und achtlos auf und unter das Familiensofa geknüllt.
Die offenen Flaschen mit diversen alkoholhaltigen Flüssigkeitsresten geben dem Ambiente das Übrige, ebenso wie der erkaltete Zigarettenrauch, der in den im Laufe der Jahre doch leicht grauschleierigen Langgardinen eine längerfristige Heimat fand.
Plätzchenkrümel, Weihnachtsservietten, Reste von Kartoffelsalat und Würstchenzipfel  (Arno, der Dackel, fand diese Leckereien als Futterersatz wohl nicht artgerecht) runden das Bild ab.
Es ist der 25.12., morgens um halb neun und die typsich deutsche Normfamilie erwacht langsam zu neuem Leben, es war ja doch spät geworden.
Bis auf eine Ausnahme: Söhnchen Marco (7) sitzt schon am Flatscreen und spielt begeistert seit 2 Stunden sein gestern freudig ausgepacktes Geschenk, eine täuschend echte Kopie des Playstation 3-Krachers Call of Duty: Advanced Warfare. Wie der Name des Spiels schon ahnen lässt, ist das nicht unbedingt ein pädadogisch wertvolles Denk-und Lernspiel und theoretisch für den abgehärteten User ab 14 Jahren geeignet. Marco stört das nicht im Geringsten, er geht zwar erst in die 2. Klasse, zählt hier aber mit seiner Camouflagehose und dem Barett aus dem 2. Weltkrieg, dass er seinem Opa vom Dachboden gemopst hat, zu den Coolsten. Die gefälschte Waffenbesitzkarte für eine Kalashnikow aus eben jener Epoche trägt er stolz in seiner Geldbörse, Onkel Udo, der ursprüngliche Besitzer, sucht heute noch danach.
Oh, Töchterchen Sophie (5) Nesthäkchen und Sonnenschein der Familie, erscheint im Wohnzimmer, unsanft erweckt vom PÄNGPÄNGPÄNG und BAMBAMBAM der Dolby-Surround-Anlage der PS3.
Sie wirkt ein wenig verstört, hatte sie doch in ihrem neuen Hello-Kitty-Nachthemd und der passenden Bettwäsche dazu eine geradezu prinzessinnenhafte Nacht und dann kommt so ein Lärm und beendet die pink angestrichenen Träume. Gemein! Eine dementsprechende Mine zur Schau getragen, pampt sie den Bruder ohne Vorwarnung an: "Du Aasch! Mach nich so'n Krach! Meine Lisa wollte noch schlafen!"
Lisa, das ist eigentlich "nur" eine Puppe, hat sich aber im Laufe der Zeit zu einer imaginären Freundin gemausert. Lisa wird aktuell an den Haaren über den Wohnzimmerboden geschleift.
"Is Mama schon auf?!" fragt erst Lisa, dann Sophie.
"HAU AB UND LASS MICH IN RUHE!" kommt es wenig weihnachtlich vom Bruderherz zurück. Er gällt noch ein "Wegtreten!" hinterher, aber die kleine Sophie ist schon auf dem Weg ins Elterschlaftzimmer, Lisa folgt ihr unauffällig, geht ja nicht anders. Sophie hat sie ja bei den mittellangen durchgestuften  (Friseur gespielt mit den Freundinnen) Puppenhaaren gepackt.
"MAAAMAAAAA!" schallt es energisch vor der Schlafzimmertür. Eine ebenso geknallte ebensolche rundet das Bild von der Minizicke (vorher: Sonnenscheinchen der Familie) ab. Die Chagall-Kopien an der Wand gegenüber des ehelichen Bettes zittern bedenklich an ihren Dübeln. Leichtbauweise rächt sich irgendwann.
Völlig verpeilt bewegt sich als erstes Mutter Christina, kurz und praktisch "Tina" gerufen, außer von den Kindern, die sagen ja "Mama". Also von ihrem Göttergatten, der es auch nicht mit allzu langen Vornamen hat, denn er legte seinen zweiten Vornamen "Thorben" irgendwann Mitte der 90er mal ab und liess sich seitdem nur noch Ralf rufen. Auch er zeigt erste Zuckungen am 1. Weihnachtstag, denn eines der letzten Bierchen von gestern abend (Man erinnert sich: BESCHERUNG!) muss wohl nicht mehr in Ordnung gewesen sein.
Überfordert - merke: ab 40 ist man dauerüberfordert! - packt er seine Frau an die Schulter, reisst schlagartig seine blauen Augen auf und brüllt sinnigerweise "EINBRECHER! TINA, RUF DIE BULLEN!" obwohl das dafür notwendige Smartphone (Samsung Galaxy S5 XL) auf seinem Nachttisch liegt.
"Sie haben eine Sirene und Schusswaffen!" Tina ist sofort online, wenn man sie mal braucht. Jedenfalls auf Facebook. Sonst ist sie manchmal, hm, sagen wir mal, etwas simpel gestrickt.
Nun sitzt sie allerdings doch senkrecht im Bett. Sie wähnt ihre Familie in Gefahr und im Ernst: Das ist sie auch, denn aus dem Wohnzimmer hört man immer noch ein DauerBÄMBÄMBÄM. Marco ist im Begriff, den Krieg, den die Allieerten angezettelt haben, zu gewinnen.
Sirene Sophie hat sich inzwischen auf Dauerkreischton gestellt. Lisa kann es nicht verhindern, so sehr sie es auch versucht. Auch Puppen können einen Hörsturz bekommen. "AAHHAAAHHAAaahHAHHAAAAAHH!"
"Allmächtiger", fällt auf einmal Ralf aus allen Wolken. "Es ist nicht die Terrormiliz, es sind nur unsere Kinder. Ruf das Jugendamt an, Tina, und frag mal, wieviel man für die beiden kriegen kann."
"Knastjahre oder Kohle?" fragt Tina und freut sich, einmal so schlagfertig antworten zu können.
"Nein, ich meine die Jahre, die ich mit dir verheiratet bleiben muss", knurrt Ralf. Er hasst es, wenn seine Frau schlagfertig ist. "Der Pfaffe sagte irgendwas von "lebenslänglich"."
Tina dreht sich beleidigt wieder um und schmollt. Solche Witze hasst sie wiederum an ihrem Mann. Schließlich hat sie ihn mal geliebt.

Morgen mehr von den Schmitzens!

Liebe Grüße und ich hoffe, ihr findet heute morgen nicht so ein Chaos vor und habt auch keine PS3 verschenkt!
Euer Copinchen

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