Freitag, 12. September 2014

... zum Superschulpferd! Laetizia III

Laetizia war mittlerweile gut in Form, sie bekam sogar einen neuen, extra für sie angepassten Sattel und ein furchtbar modernes Gelkissen, um ihren empfindlichen Widerrist zu schonen. Sie brauchte wirklich eine Sonderanfertigung für diesen Problemrücken. Im Gegenzug wurden ihre Buckelanfälle wesentlich weniger und so langsam neigten sich auch die Ferien ihrem Ende zu. Ich hatte mit Laetizia jeden Tag bis auf einen Ruhetag pro Woche etwas gemacht und sie dankte es mir mit ihrer warmen Zuneigung und Vertrauen. Ihr konnte ich alle meine Teenie-Sorgen anvertrauen, sie würde nicht tratschen oder meine Fünf in Mathe verpetzen. Sie wusste, dass ich zuhause Probleme hatte und mit niemanden darüber reden würde außer mit ihr, und wenn ich mal wieder weinend an ihrem warmen, langen Hals hing, schnaubte sie mir tröstend in die Haare. Ich liebte sie wie mein eigenes Pferd. Der Reitlehrer lobte mich für meinen Einsatz sehr und versprach mir, dass ich sie dafür mindestens 2x pro Woche umsonst im Unterricht mitreiten durfte, ein Angebot, dass ich sehr dankbar annahm.
Die Reitschüler waren Laetizia gegenüber noch eher skeptisch. Eine Reiterin war von ihr abgebuckelt worden und hatte sich den Arm gebrochen, und das in den Ferien. Ich bin ehrlich, allzu böse war ich Laetizia dafür nicht, denn sie hatte vorher auf die Stute geschimpft und war grob mit ihr umgegangen. Meine Warnung hatte sie in den Wind geschossen. Klar war ich erschrocken, dass sie so bös gestürzt war, aber nachdem ich sah, dass sie Sporen verwendet hatte, war sie meiner Meinung nach auch selber schuld. Laetizia hatte wohl noch niemand mit Sporen geritten. Brauchte man auch nicht, denn die Stute war fleißig, mittlerweile auch gut in Balance und Anlehnung und butterweich zu sitzen. Ein Traumpferd (bis auf den Widerrist).
Mein Wunschzettel-Wunschpferd hatte inzwischen einen Namen: Laetizia. Aber die Einstellung meines Vaters zum eigenen Pferd kennt man ja nun schon, außerdem hätte meine jüngere Schwester dann auch eins haben müssen, und das käme ja wohl wirklich nicht in Frage. Schon mal überlegt, was das kosten soll?
So gab ich mich weiter ihrer Pflege hin und war mittlerweile genauso streng mit den Reitschülern, was das Satteln und Putzen angeht, wie der Rest der Schulpferde-Mafia. Da Laetizia aber auch Putzzzeug, Satteldecken und Gurtschoner finanziert von meinem kargen Taschengeld hatte, fand ich es auch ok, mal zu meckern, wenn jemand nicht ordentlich damit umging. Und ihren Widerrist betrachtete ich nach jeder Stunde mit Argusaugen. Sass das Gelkissen auch richtig? Wurde vernünftig nachgegurtet? Ist die Satteldecke auch nicht verrutscht?
Der Gedanke, dass ihr der Rücken wieder schmerzen würde, nur weil jemand schlampig sattelt, war mir zuwider. So begann ich auch hin und wieder die Schule zu schwänzen, um mich um Laetizia zu kümmern.
So wurde es Herbst und Winter und mittlerweile "erfreute" sich Laetizia wachsender Beliebtheit in den Reitstunden. Sie lief brav mit Anfängern und dann auch mit Ausbindern oder Dreieckszügeln und mit Fortgeschrittenen auch ohne Hilfszügel schön in Anlehnung. Ihr Pensum wuchs und wuchs also, denn es sprach sich herum, dass sie so schön zu reiten sei. So verzichtete ich immer öfter auf eine meiner beiden Pflegerreitstunden und bewegte sie dann nur am unterrichtsfreien Tag unter dem Sattel oder der Longe. Der Reitlehrer merkte das wohl und fragte eines Tages, ob ich mit ihr mal an einer Anfängerspringstunde teilnehmen wollte!
Ouha. Natürlich wollte ich. Aber gesprungen war ich nur mal über ein Cavaletti oder ein kleines Kreuz und eigentlich hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei gehabt.
Aber für Laetizia würde ja auch nur ganz klein aufgebaut. Ok, ich sagte zu, wir beiden machen das schon.
Etwas zitterig half ich beim Aufbau, es war wirklich nicht hoch. Dann holte ich die Stute, machte mir die Bügel kurz (wie komisch war das denn!), bekam den Leichten Sitz erklärt und schon sausten wir beide über Kreuzchen. Wer hätte das gedacht! Laetizia hatte richtig Spaß am Springen!! Da das nicht unbedingt die meisten Schulpferde toll finden, war schon wieder ein neues Betätigungsfeld für meine Maus aufgetan. Mir machte es auch Freude und zum Schluss sprang ich mit meiner Laetizia tollkühn über einen Steilsprung, den ich mir vorher niemals zugetraut hätte. Wir gaben einander immer mehr Selbstvertrauen und bei der nächsten Springstunde kamen wir sogar heil über einen Oxer und ein paar In-out in einer Reihe.
Die anderen Schulpferdreiter beneideten mich nun ein wenig, bekam ich sogar die meisten Tipps vom Reitlehrer (in den wir ja alle ein wenig verknallt waren, ne) und auch viel Lob, was ja der Ausbildung von Laetitia für die Allgemeinheit diente.
So kam auch der Winter und mit ihm das traditionelle Nikolausturnier. Laetitia war mittlerweile beinahe ausgebucht und lief durchschnittlich 3 Stunden am Tag, manchmal sogar vier. Immer mal wieder war die haarlose Stelle am Widerrist ein wenig gerötet, wurde gesalbt und beschmiert. Und gehofft, dass es "hält", denn Laetizia sollte beim Nikolausturnier mit einigen Mädels an den Start gehen: Jugendreiterwettbewerb, E-Dressur und auch ein Springreiterwettbewerb.
Ich flocht ihr hübsche Zöpfchen in die Mähne und bewunderte ihren tollen Hals, den sie bekommen hatte: Lang, oben schön rund und unten ohne einen Ansatz von Unterhalsmuskulatur, genau richtig geschwungen. Ihre Hinterhand war auch sehr viel kräftiger geworden und sie war wirklich - auch mit Winterfell - schön im Lack. Sie leuchtete geradezu.
Und dann geschah es.
Am Abend vor dem Nikolausturnier schaute ich noch mal nach ihr (und ihren Zöpfchen) und dabei fiel mir auf, dass sie ihr Futter gar nicht aufgefressen hatte. Stattdessen pustete sie heftig, bekam einen leichten Schweissfilm und begann, sich in der Box zu wälzen, wieder aufstehen, wieder wälzen...
Ich holte den Reitlehrer. Der rannte zum Telefon und rief den Tierarzt: Laetizia hatte eine heftige Kolik! Mich wies er an, ihr eine Decke überzulegen und sie im Schritt in der Halle zu führen, weiteres Wälzen nach Möglichkeit verhindern!
Ich war geschockt. Meine Laetizia so krank! Sie hatte Schmerzen und stöhnte leise auf dem Weg in die Halle. Mir fiel auf, dass ihr Bauch sehr geschwollen aussah. Er wirkte wie aufgepumpt. Ich führte sie, erzählte ihr was und sie trottete mit zittrigen Beinen neben mir her. Da traf auch schon der Tierarzt ein und ich erlebte zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal eine Kolikeruntersuchung nach allen Regeln der Kunst. Der Tierarzt lehrte mich, wie man Darmgeräusche beurteilt, wo der Blinddarm liegt und wie er "anschoppt" (Danke nochmal für den authentischen Vergleich mit der alten Klospülung. Bei der Reitwartprüfung hat er für ordentlich Lacher gesorgt.). Dann bekam die Stute 2 Spritzen, ihr Futter weggenommen und die Tränke abgestellt. Ich wich ihr nicht von der Seite. Nach der Spritze ging es ihr zusehends besser und sie wollte Futter, durfte aber nichts haben.
Ich schaute auf meine Uhr. Oh oh. 10 Uhr abends, der letzte Bus war schon weg.
Es war Dezember, ich holte mir ein paar dicke wollene Abschwitz- und Stalldecken, machte mir ein Lager in Laetizias offener Boxtür und sang ihr Weihnachtslieder vor. Der Reitlehrer erklärte mich für verrückt und brachte mir heissen Tee und ein Käsebrötchen. Es war das leckerste Käsebrötchen, was ich je hatte. ;-)
Morgens war Laetitia wieder wie neu und gierte nach Futter. Sie durfte aber erstmal nur etwas Heu haben und wieder trinken. Der Tierarzt hatte genaue Anweisungen hinterlassen. Sie sollte alle 2 Stunden eine Rippe Heu bekommen und Weizenkleie und wenn es geht, Malzbier. Ich radelte in den Ort und besorgte Malzbier und Weizenkleie. Laetizia pustete mich dankbar an für ihre besondere Mahlzeit und schlabberte mir Weizenkleieklekse auf die Jacke. ;-)
 Das Turnier war mir pupsegal und lief an mir vorbei, Hauptsache Laetizia war wieder ok. An zuhause mochte ich gar nicht denken. Da aber das Telefon schon erfunden war, wenn auch noch nicht unbedingt das Handy - oh, da fällt mir das Autosatellitentelefon vom Tierarzt ein, das war ein richtiger Koffer! - dachte ich, ich rufe mal zuhause an. Der Anschiss, den ich vom Vater daraufhin abbekam, trieb mir die Tränen in die Augen und einen Entschluss ins Denkstübchen: Ich wollte Pferdewirtin werden und am liebsten jede Nacht im Stall schlafen.

Was immer ihr heute beschlossen habt, auch wenn es noch so unvernünftig sein sollte, hört auf euren Bauch. Möglichst ohne Bauchschmerzen. ;-) Und esst ein Käsebrötchen dazu.

Pferdige Grüße von
Copine (was waren wir damals jung und verrückt)! :-)





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