Samstag, 6. September 2014

Schulpferde: Laetizia Vol. I!

Diese Geschichte geht über mehrere Jahre, deshalb auch hier wieder ein Fortsetzungsroman, der wirklich so geschehen ist. ;-)
Laetizia war Copines Vorgängerin in Sachen "Herzenspferd". Sie war - ratet mal - eine braune Stute und ihr Name bedeutet "Die Freude, die Fröhlichkeit".

Zu jener Zeit, in der ich Laetitia betreuen durfte, war ich ein Teenager, zwischenzeitlich umgezogen und mein weiterer Reitunterricht fand nun in einem großen "Laden" statt, mit 8 hauptberuflichen großen Schulpferden. Da diese auch sehr gut ausgelastet waren, war der Verein eigentlich ständig auf der Suche nach geeigneten Pferden, um die Truppe zu verstärken und ältere Pferde zu entlasten. Die Pflege der Schulpferde zu übernehmen war zu jener Zeit eine besondere Ehre, und viele ReitschülerInnen prügelten sich geradezu darum, einen Tag in der Pflegertabelle für ihr Lieblingspferd zu ergattern.
Die Schulpferdepflegerinnen überwachten nach Möglichkeit auch jeden Handgriff, den der Reitschüler an "ihrem" Pferd zur Vorbereitung für den Unterricht vornahmen. Da wurde die Satteldecke nochmal zurechtgezupft, die natürlich frisch gewaschen und der neuesten Mode entsprechend vom Taschengeld der Pflegerin angeschafft wurde, Polsterfellchen und Gurtschoner, schicke Stirnbänder ebenso. Die vereinseigenen Sachen waren zwar genügend vorhanden, aber natürlich nicht schön genug und jede legte Wert darauf, dass "ihr" Pferd das Schickste und Bestgepflegteste in der Bahn war. Auch die Boxen waren immer sauber gemistet und die Späne-Einstreu mit einem Besen glattgezogen, so dass sie wie ein Teppich in der Box lag. Der Verein dankte so viel Einsatz zum Wohle der Schulpferde, indem die Pflegerinnen an sog. "Stehtagen" die Pferde reiten oder longieren durften.
Ich ritt nun schon ein halbes Jahr in dem Verein regelmäßig Schulpferde und so ein Pflegepferd war mein Traum. Denn diejenigen, die sich bei den Schulis "bewährt" hatten, bekamen oft Angebote von den Privatpferdebesitzern, sich um ihr Tier zu kümmern. Und dann war man in der Hierarchie ein ganzes Stück aufgestiegen. Ein Privatpferd zum Reiten und Liebhaben, was wollte man mehr!
Ich wartete also auf die Gelegenheit, in die Schulpferdepflege einzusteigen. Aber bisher war "nichts frei", wie gesagt, es war ein beliebter Job und die Schulpferdepflegerinnen bildeten einen Club  im Club, man verstand sich allgemein sehr gut. Vereinsintern nannte man sie auch die "Schulpferdemafia", die sich aber immer für ihre Lieblinge einsetzten, um Dinge wie Weidegang, neue Ausrüstungsgegenstände (denn nicht alles konnte man selber anschaffen) und "Humane Arbeitsbedingungen" zum Beispiel. So ein Schulpferd hat ja, ich erwähnte es schon, einen der härtesten Jobs in der Branche.
Als Zugereister hat man es ja immer schwer, aber ich ließ bei keiner Gelegenheit unerwähnt, dass ich auch gerne Schulpferdepflegerin wäre. So kam es, dass eines Tages ein neues Pferd eine Box im Schulstall bezog, eine eher schüchterne braune Stute mit großen Augen und langen Beinen. Ihr Name war Laetitia und sie kam aus Polen.
Begeistert stürzte Laetitia sich auf das schon dargebotene Heu und fraß es bis auf den letzten Krümel auf. Sie hatte wohl selten so eine richtige Portion bekommen, denn sie war sehr knochig. Man konnte die Rippen deutlich erkennen und ihre Hüftknochen standen so derbe heraus, dass ein geworfener Hut daran hängen geblieben wäre.
Ihr Fell war stumpf, die Hufe zu lang und ihr Schweiflein war dünn und zerzaust. Von einer Mähne konnte man auch nicht wirklich reden, sie war bis auf dem Kamm abgescheuert und drei tapfere Schopfhaare haben den Kampf gegen den Juckreiz bisher überlebt.
Der Reitlehrer kam in den Stall, um Laetizia zu begutachten. Sein Blick wurde düster beim Anblick der Stute. "Meine Güte." sagte er und zu mir: "Willst du sie mal putzen?"
Ich wollte. Holte mir das an Putzzeug, was die PflegerInnen als zu oll für ihre Pferde angesehen und aussortiert hatten und putzte und wienerte Laetizia nach allen Regeln der Kunst. Diese schaute mich nur erstaunt aus ihren großen braunen Augen an, hielt aber still. Sie schien nicht besonders viel Zuwendung gewohnt zu sein. Laut den Papieren war sie sechs Jahre alt und als "geritten und gefahren" verkauft worden.
Als ich nach gut einer Stunde fertig mit ihrer Säuberung war, sah sie schon ein wenig besser aus, wenn man mal die rissigen, langen Hufe und den Zustand der Mähne außer Acht lässt. Und ihre körperliche Verfassung. Ich hatte Mitleid mit der Stute. Nicht auszudenken, dass sie drei Stunden täglich mit Reitschülern laufen könnte.
Der Reitlehrer schaute auch kritisch, aber er grinste, als er meine Staubwolke und die losen Haare vom Putzen am Boden sah.
"Na, da hat sich aber einer Mühe gegeben. Willst du Laetizia als Pflegepferd haben?"
Auf so eine Frage hatte ich lange gewartet. Ich bekam rote Bäckchen und antwortete: "Ja klar!"
"Drei oder viemal in der Woche?"
"Jeden Tag. Ich kümmere mich jeden Tag um Laetitia." brachte ich noch hervor. Dann knuddelte ich die Braune, die mich einmal mehr erstaunt anblickte und zählte in Gedanken wieder einmal die Stunden, bis ich am nächsten Tag wieder in den Stall kommen würde. Zu meinem Pflegepferd Laetizia. Mit einer Tasche voller neuem Putzzeug für sie und einer großen Tüte Möhren.

Um was auch immer ihr euch heute besonders kümmert, tut es mit Hingabe. Es lohnt sich. ;-)

Pferdige Grüße von
Copine


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