Dienstag, 9. September 2014

Laetizia II - vom Ro(h)deopferd ....

Nass geschwitzt stand die Stute in ihrer Box. Der Reitlehrer hatte sie ausprobiert und war nur mit Mühe oben geblieben! Zuvor hatte sie ihr Debüt als Schulpferd gegeben, aber leider gab es von diesem Versuch nicht viel Gutes zu berichten. Zwar trottete sie zunächst artig mit den anderen Pferden im Schritt durch die Bahn, schaute sich dies und das an und ihre Reiterin, eine Fortgeschrittene, die schon lange ritt, klopfte sie beruhigend am Hals. Das schien sie ja noch ganz ok zu finden. Im Trab wurde sie dann schon unruhiger und als es dann an die lösende Galopparbeit ging, war der Käse dann gegessen. Sie bockte wie ein Rodeopferd! Das einzige, was man hier von ihr lernen konnte, war, länger als 10 Sekunden oben zu bleiben, bevor man dann unsanft aus dem Sattel gehebelt wurde.
Alle waren so enttäuscht von Laetizia. Man hoffte, ein gutes Schulpferd zu bekommen und dann entpuppte sich die so sanft wirkende Stute in der Bahn als Alptraum auf vier Hufen. :-(
Nun stand sie wieder in der Box und niemand wollte sie reiten. Ich versuchte sie mit ein paar Möhren und Putzeinheiten wieder aufzumuntern. Der Tierarzt kam und checkte sie noch durch: Sie war nicht sechs Jahre alt wie angegeben, sondern erst vier und hatte wahrscheinlich noch nicht allzuviel Erfahrung mit Menschen auf ihrem Rücken. Ansonsten war sie aber zum Glück gesund.
Probleme machte vor allem ihr wahnsinnig steiler Widerrist am unbemuskelten Rücken! Hier gab es nach den 2 Reitversuchen schon eine wunde Stelle, die ihre Situation nicht unbedingt verbesserte. Der Tierarzt gab mir eine Zinkpaste dafür, wies aber darauf hin, dass sie unbedingt einen passenden Sattel haben müsste. Das alte Kloster-Schönthal-Modell (Wiedersehen macht Freude!), welches für sie vorgesehen war, war am Widerrist einfach zu eng gebaut und verursachte ihr wohl Schmerzen.
Ich fragte den Reitlehrer vorsichtig, wie man ihr helfen kann. Er meinte nur, sie müsste völlig neu angeritten werden, leider habe er dafür zuwenig Zeit. Zunächst solle man sie erstmal longieren, damit sie regelmäßig Bewegung erhält und nicht aus Übermut buckelt.
Ich fasste mir ein Herz. Es waren bald Sommerferien und ich würde jeden Tag kommen können!  Nicht wie sonst von lästigen Schularbeiten genervt erst am späten Nachmittag nach ihr schauen und sie versorgen, nein, ich würde morgens schon zum Verein radeln und mich  um sie kümmern.
Den Reitlehrer überredete ich wortreich, mich in die Geheimnisse des Longierens einzuweihen und zum Dank würde ich für ihn die Berittpferde satteln, damit er Zeit für mich und Laetizia hat. Er fand den Deal natürlich prima und so geschah es. Ich suchte den bequemsten Longiergurt für meinen Liebling heraus und der Reitlehrer zeigte mir sehr ausführlich, wie man fachgerecht mit Longe und Peitsche hantiert und wie man dem Pferd so etwas beibringen kann.
Zum Glück war Laetizia ja schon eingefahren und die Longe war ihr nicht ganz so fremd wie die Reiterei. Sie war sehr gehorsam und nach ein paar Mal entspannte sie sich richtig gut im Trab und Galopp und schnaubte zufrieden. Solange ich mit ihr arbeitete, war sie von den Schulstunden befreit, der Vorstand begrüßte sogar mein Engagement sehr, die Stute zusammen mit dem Reitlehrer auszubilden! :-)
Ich sorgte aber auch dafür, dass sie oft frei laufen durfte und auch mal ein Stündchen auf die Weide kam. Damals war die Situation eher so, dass die Schulpferde selten auf die Wiese durften, denn es war nicht genug Wiese für alle Pferde da und die Privatpferde hatten hier Privilegien. Da sich Laetizia aber - oh, welch Zufall! ;-) - mit dem Pferd vom 1. Vorsitzenden, Apollo, irgendwie angefreundet hatte, durfte sie als seine Weidegenossin mit ihm auf die Koppel.
Natürlich hatte sie noch Rückfälle in ihr wildes Verhalten, sie war ja noch jung! Aber ich schaffte es, ihr Vertrauen zu gewinnen, so dass ich sie dann auch oft im Unterricht mitreiten durfte (wir beide quasi als Lehrlinge) und sie fand sich immer besser in ihre Rolle als Reitpferd. Die Longenkommandos setzte ich hier erfolgreich ein und bald kapierte sie auch, dass man ruhig galoppieren konnte, ohne auszurasten.
Das dicke Sattel-Pad, dass ich einem Springreiter gegen dreimal Pferd einflechten abgeluchst hatte, stieß aber bald an seine Grenzen und schon hatte sie wieder einen Buckelanfall mit anschließender wunder Stelle am Widerrist. Scheiße!
Eine Pause gerade in dieser tollen Phase der Ausbildung, wo sie beinahe zuverlässig vorwärts-abwärts traben und galoppieren konnte und hier ihre Balance fand, war ausgesprochen suboptimal.
Der Reitlehrer hatte dann eine Idee: Ich sollte sie mit einem Voltigiergurt reiten! Der lag weiter hinten und das dicke Polster hatte genau an der wunden Stelle eine Aussparung. Ich würde zwar auf Steigbügel verzichten müssen, hatte dafür aber zwei Haltegriffe.
Ich hatte zwar erst ein wenig Muffe, aber manchmal muss man eben über seinen Schatten springen! Also versuchte ich es. Mit viel Herzklopfen - ich wusste ja, wie sie loslegen kann! - ließ ich mich auf "mein" Ross werfen und bekam hier ein völlig neues Reitgefühl! Nicht zuletzt, weil der Reitlehrer auch mit dieser Montur darauf bestand, Laetizia im Leichttraben zu lösen.
Das war nicht leicht, aber auch ich wollte ja lernen und so tat ich, wie mir befohlen. OMG, taten mir anschließend die Beine weh! Wie ein blutiger Anfänger schlich ich zu meinem Fahrrad und fuhr nach Hause.
Aber ich war auch stolz wie Oskar. Das Galoppieren hatte 1A geklappt und sie war schön rund geblieben und vermittelte mir ein tolles Gefühl. Der Reitlehrer hatte am Ende der Stunde sogar ein kleines Lob für mich übrig und wer den Unterricht der 80er Jahre kennt, der weiss, dass das eine Riesenauszeichnung war! Überhaupt, der Unterricht. Das Prinzip hiess "hart, aber herzlich" und manchmal auch nur "hart". Denn der Reitlehrer hatte immer recht und es gab damals noch kein Facebook oder Internetforen, wo man einen solchen Tyrannen an irgendeinen Onlinepranger stellen konnte. Die Parole "Friss oder stirb" kombiniert mit einem gewissen Kasernenhofton schulte allerdings das Gehör des Schülers, die Ausrüstung war stets komplett, denn wer in stylischen Turnschuhen und ohne Helm, womöglich noch mit wehendem Haar, reiten wollte, der blieb schön unten auf dem Boden und wurde nach Hause geschickt. Wer seine Gerte vergessen hatte, der ritt eben ohne und merkte dann am eigenen Leib, wie anstrengend auch das leichtrittigste Schulpferd werden kann, wenn es merkt, dass der Schüler "ohne alles " auf ihm sitzt. Und das merken sie schon sehr früh, nämlich bereits beim Aufsitzen.
Die so Gescholtenen vergaßen NIE WIEDER ihre Klamotten. Und standen zur nächsten Reitstunde wieder parat, mit Haargummi, Helm und blitzblank geputzten Reitstiefeln. ;-)

Oh, und: Was immer ihr heute an guten Tipps bekommen habt, probiert es mal aus, auch wenn es unbequem ist. Es könnte sich wirklich lohnen.

Pferdige Grüße von
Copine (mit Laetizia im Herzen)

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