Hm. Bei einigen Exemplaren mag das durchaus zutreffen, aber sollten wir nicht hinterfragen, ob es nicht ein ganz klitzekleines Bißchen an uns selber liegt, wenn man im Unterricht nicht zurechtkommt?
Ich kenne beide Seiten der Medaille. Einmal als Reiterin, der das Wohl ihres Pferdes absolut am Herzen liegt (durchaus mehr als das eigene) und einmal als Ausbilderin, die wortreich versucht, ihren SchülerInnen das Geschehen im Dressurviereck etwas näher zu bringen.
Und ich komme zu dem Schluss: Beide haben es schwer. Dem Reitschüler wird jemand vor die Nase gesetzt, dessen Wort ab sofort Gesetz in der Bahn ist. Dem Reitlehrer werden Schüler präsentiert, die vieles besser wissen, mit der Methode nicht klarkommen oder/und einfach keinen Bock haben. Oder dem Vorgänger nachtrauern und deshalb jeden Neuling per se skeptisch gegenüberstehen. Oder einfach seine Sprache nicht verstehen -Stichwort Dialekte, Nuscheln oder einfach nur sehr leise sprechen.
Ja, und dann? Was soll er alles können, der perfekte Reitlehrer?
- Erstmal muss er in der Lage sein, hippologische und reiterliche Qualität auf den ersten Blick zu erkennen und dementsprechend ehrführchtig auf den Schüler einwirken. Der Schüler ist König und das Pferd ist sein majestätisches Ross. Und danach kommt erstmal lange nichts.
- Er muss jederzeit körperlich in der Lage sein, sein Können zu demonstrieren, egal ob auf dem majestätischen Ross, seinem eigenen Pferd oder auf einem Schulpferd.
- Er muss idealerweise hoch entwickelte psychologische Fähigkeiten besitzen und die arme gestresste Hausfrau und Mutti auf dem Donnerhall-Nachkommen, der komischerweise nie über A-Niveau hinausgekommen ist (liegt aber nur am aktuellen Reitlehrer, niemals an der Reiterin!) genauso wohltuend therapieren wie den gutverdienenden Managertypen auf dem edlen Halbblüter, der am liebsten durchs Gelände brettert und dabei eine Urschreimethode zur Stressbewältigung ausprobiert, in der Reitstunde aber nicht viel mitbekommt, weil ihm sein Smartphone per Freisprechgerät einfach nicht in Ruhe lässt und er eigentlich schon wieder im Büro sein müsste.
- Er muss entstehende oder bestehende Erkrankungen am majestätischen Ross sofort und mit einem Blick erkennen, diagnostizieren und am besten auch behandeln können. Die Besitzerin des Pferdes muss ebenso professionell betreut, beruhigt und ggf. getröstet werden.
- Er muss auf Zickenkriege und/oder Eifersuchtsszenen jederzeit deeskalierend einwirken bzw. solche bereits im Keim ersticken.
- Er muss den Mütter der meist pubertierenden Reitschülerinnen stets hilfreich und zuvorkommend begegnen und sollte es niemals wagen, in deren Anwesenheit ihren Töchtern eine gewisse Talentfreiheit und/oder gewisse figürliche Defizite zu bescheinigen. Niemals. Wirklich niemals.
- Er muss dem Stallpersonal eine Leitfigur sein, besser noch eine hippologische Lichtgestalt und sollte sich nicht scheuen, selbige bei Fehlern vor der gesamten Einstellerschaft zur Schnecke zu machen. Das kommt beim Kunden gut an, er fühlt sich dann erhabener.
- Reiterlich muss er selbst auf einem Turnier für den Verein oder Stall, den er leitet, glänzen und nachher am Bierzelt auch eine gute Figur machen. Das kommt beim Vorstand gut an.
- etc, etc, etc, etc.
Das sollte man auch mal bedenken, wenn man seine/n Reitlehrer/in mal wieder als eine/n ahnungslose/n Vollidioten/in bezeichnet. Obwohl, wenn man bedenkt, was man dafür für eine harte Ausbildung hingelegt hat und zu dem Tarif dann seine Brötchen verdient, der ist entweder ein hoffnungsloser, aber idealistischer und wirklich pferdeliebender Traumtänzer oder eben ein - Vollidiot, nach heutigen Maßstäben gemessen. ;-)
Anmerkung: Dies soll in keiner Weise despektierlich erscheinen. Die betroffenen Personen wissen schon, wie das gemeint ist. Sollte das nicht alles in allem ein Anreiz sein, seinem eigenen Reitlehrer ein wenig mehr Respekt entgegenzubringen? Ich denke schon. :-)
Wer immer euch heute gute Tipps gegeben hat, ich hoffe, ihr habt ihn oder sie nicht angemotzt.
Liebe Grüße (auch an alle KollegInnen)
vom Copinchen!
PS.: Hier noch ein paar Reitlehrersprüche, die ihr möglicherweise schon mal gehört habt:
Das ist kein Schritt, das ist ein Schlich.
Für deine Hände brauchst du einen Waffenschein!
Guck nicht runter - das Portemonnaie im Sand gehört sowieso dem Reitlehrer.
Von wegen "gemeinsamer Schwerpunkt" - dein Pferd würde seinen Schwerpunkt am liebsten nach draußen verlagern!
So wird das nix, du reitest jeden Tag ein bisschen schlechter aber heute bist du geritten wie in einer Woche!
RL: Das sieht unbequem aus!
Schüler: Wieso?
RL: Na dein Pferd schläft ohne Kissen!
Hör auf zu schnalzen, wir sind hier nicht beim Schweine füttern!
Die Reithalle ist bezahlt, du kannst die Ecken ruhig ausreiten!
Schau nicht dauernd nach unten, ich sag dir schon, wenn dein Pferd nicht mehr da ist.
... und mein Lieblingsspruch: "Merket euch auf allen Wegen, reiten lernt man nur durch fegen!" :-)
Wer noch einen hat, kann ihn gerne als Kommentar unten anhängen!