Samstag, 1. August 2015

Schulpferdegeschichten: Merlin verzaubert alle! Vol. I

Was muss ein Schulpferd sein und können, damit es von den Schülern geliebt und bei jeder Einteilung der Pferde sein Name als erstes gerufen wird?
Es sollte natürlich gut ausgebildet, lektionssicher sein und einen guten Charakter haben, das weiss ja jeder.
Manchmal reicht aber auch ein verdammt hübsches Äußeres.
Auf der Suche nach guten, neuen Pferden für den Reitunterricht - schließlich wurden immer mal wieder gute und beliebte Pferde an Privatleute verkauft, damit sie nicht ewig den Stress mit den ReitschülerInnen hatten - streiften wir immer mal wieder durch die Stallungen eines Händlers, der schon öfter ein geeignetes Pferd für uns vermittelt hatte. Mein Chef und ich kannten ihn gut und er war einer von der vertrauenswürdigen Sorte, der wirklich keinen Ruf als Rosstäuscher besass.
Seine Stallungen waren immer sauber und gepflegt, ein Reitplatz war vorhanden und das Sattelzeug in Ordnung. Das kenne ich auch anders und daher war dies ein guter Ort, um sich mal umzusehen.
Wir schauten in die Boxen, es waren gar nicht viele Pferde da, ein paar Ponys, Haflinger, Warmblüter und ....oh. Da schauten mich ein paar dunkle Augen eines feingliedrigen Braunen an, ein wenig melancholisch, beinahe schüchtern, aber freundlich und interessiert.
"Was macht der denn hier?" fragte ich den Händler.
"Erfolgloser Galopper, der nicht verwurstet wurde." war seine knappe Antwort. Natürlich, viele Galopprennpferde, die ihren Anforderungen nicht gerecht werden, landen beim Metzger. Dieser hier hatte wohl Glück gehabt!
An seiner Box stand der Name "L'Espoir" mit Kreide auf einer Tafel. "Die Hoffnung". Nun, das hat in Bezug auf seine Rennkarriere wohl nicht so ganz geklappt. Ich musste grinsen.
"Was kann der?!" fragte der Chef knapp.
Nun war es am Händler, zu grinsen. "Er kann ziemlich schnell galoppieren, falls ihr einen für die Herbstjagd sucht. Er ist aber anständig und brav und macht keine Mätzchen."
Ein Galopper für den Reitunterricht. Das war doch mal was anderes. Und so ein Hübscher dazu! Mal schauen, wie der Vorstand das findet.
Der Vorstand gab grünes Licht und so landete L'Espoir in unserem Schulpferdestall. Wir suchten aber einen unkomplizierteren Namen für ihn aus und gaben ihm den wohlklingenden Künstlernamen "Merlin".
Sofort umringten ihn die Mädchen, als sie nachmittags in die bisher freie Box schauten und ein edles Pferd mit langen, weiss gefesselten Beinen, einen unverschämt dicken Schweif und einem kleinen, mit schmaler Blesse und Schnippe verzierten Blüterkopf ihnen entgegenblickte. Ein wenig melancholisch, beinahe schüchtern, aber freundlich und interessiert. Ein feiner Kerl.
"IIISST DEEERR SÜÜÜÜÜÜSSS!!" kreischte es auf. Und natürlich "KANN ICH DEN MAL REITEN?"
Merlin, der soviel Aufmerksamkeit länger nicht gewohnt war, schaute ein wenig ängstlich auf den Mob von Mädchen, die immer zahlreicher vor seiner Box aufliefen.
"Kommt mal alle mit ins Büro", forderte ich die Damen auf, um Merlin etwas Ruhe zu gönnen. "Den Merlin schauen wir uns nachher mal in der Halle an. Ihr dürft auch gucken, aber nur, wenn ihr mucksmäuschenstill seid."
Ich teilte die Pferde für den Nachmittagsunterricht ein und holte eine Longe und eine Trense für unseren Neuankömmling. Er sollte erst mal zeigen, wie er traben und galoppieren kann, bevor sich einer in den Sattel wagt. Obwohl genügend Versuchskaninchen anwesend waren. ;-)
Schon bei dem Anblick von Merlin mit seinem ausgreifenden Schritt und seinem ganz anders gebauten Körper gerieten die Damen in Verzückung. Er gab seine Vorstellungsrunde wie ein alter Profi im Schritt und Trab, als ich aber "Galopp" rief, ging er ab wie Schmidts Katze. Ohooo!
Der Chef, der nun auch zum schauen auf die Tribüne kam, konnte sich ein Grinsen nun auch nicht mehr verkneifen. Er war leidenschaftlicher Jagd- und Vielseitigkeitsreiter und so ein Galopp ließ ihn verzückt mit der Zunge schnalzen.
Die Mädchenaugen auf der Tribüne wurden groß und größer, ich ließ ihn ein bißchen gewähren auf einem sehr großen Zirkel und genoss auch ein wenig die Show, die Merlin hier bot. Er lief relativ ruhig, aber in einer großen Übersetzung und das war erst sein Arbeitsgalopp, noch nicht mal sein Renntempo.
Auf der Tribüne war es tatsächlich mucksmäuschenstill und im Nachhinein freue ich mich, dass dies noch nicht die "Generation Smartphone" war, die sofort alles fotografieren und filmen würden und dabei den Blick für das wahre Wesen verlören. Dies hier war alles live und nicht auf Twitter und Facebook hochgeladen.
Ich ließ den Braunen wieder im Schritt gehen und sofort erklärten sich drei Mädels bereit, Merlin trockenzuführen und in den Stall zu bringen, obwohl ihn diese Vorführung nicht einen Tropfen Schweiss gekostet hatte. Larifari zum Aufwärmen, maximal. Die drei zogen stolz wie Oskar mit Merlin ihre Runden und quatschten und quietschten dabei munter seine langen Ohren voll. Ich liebte meinen Job, wo hat man das sonst noch?
Zufrieden schaute ich dem Quartett ein wenig zu und widmete mich dann wieder der bevorstehenden Reitstunde.
Und wenn ihr wissen wollt, wie es mit dem frischgeborenen Superstar Merlin weitergeht, dann schaut bald wieder hier vorbei! :-)
Liebe Grüße vom
verzauberten Copinchen ;-)


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