Montag, 27. Oktober 2014

Wuschel Vol. II - Durchs wilde Edertal! :-)

Ein Ausritt mit Reitschülern auf Schulpferden ist immer ein gewagtes Unterfangen, besonders wenn eben jene Reitschüler zum ersten Mal mit dabei sind. Die Schulpferde freuen sich natürlich, der Routine der Reithalle zu entkommen und sind entsprechend aufgekratzt, die Mitreiterinnen sind aufgeregt über das neue Ereignis in ihrem Reiterleben und zusammen ist man dann eine relativ hibbelige Truppe, bei der jedes Ästeknacken ungeahnte Folgen haben kann.
Zu Viert wagen wir das, was viele Reitausbilder als "Himmelfahrtskommando" bezeichnen. Wobei das natürlich ein Teufelskreis ist: Pferde, die nie draußen geritten werden, flippen leichter aus und Pferde, die leicht ausflippen, werden nur ungern draußen geritten. Dies galt es in diesem Sommer zu durchbrechen.
Die herrlichen Wiesen entlang des kleinen Flüßchens "Eder", der nahe der Reithalle gerne eine kleine Planschaktion nach der Reitstunde für unsere Schulpferde ermöglicht, hatte schon als Ausreit-Übungsgelände hergehalten und hier haben sich unsere Kandidatinnen recht gut bewährt. Ich ritt auf meiner nach etlichen Auswärtskilometern doch recht zuverlässigen Copine vorneweg und sortierte die Mannschaft typgerecht hinter mir ein: Wuschel, die man ja schon kennt, dann die Haflingerdame "Moni", die zwar auch recht artig war, aber mit diversen Eigenkreationen wie 'Vorbeirennenwollen' oder 'Kehrtmachenwollen' einem solchen Ausritt eine gewisse spannende Note verleihen konnte und als Schlusslicht das Schimmelpony "Donatus" genannt "Doni", der einfach nur ein tolles Kinderpferdchen war und zu allen Schandtaten gerne bereit. Er besass eine gewisse Contenance, die ihm so einen Blödsinn, wie zum Beispiel Moni ihn gerne anzettelte, absolut verweigerte und er eher derjenige war, der Moni auch wieder zum Mitmachen überzeugen konnte. Ein wirklich tolles Pony, dieser Doni, und heiss begehrt.
Meine Copine war weiterhin mit einem gewissen Stolz ausgestattet, der es nachfolgenden Pferden nicht leicht machte, sie zu überholen, egal in welcher Gangart. Da stand sie auch gerne mal wie angewurzelt quer auf dem Weg und giftete, sollte es jemand wagen, ihr von hinten zu nahe zu kommen. Darüber hinaus hatte ich die ganz lange Gerte dabei, die nicht nur Fliegen vertrieb, sondern auch Monis in ihre Schranken weisen konnte. Es war also für alles gesorgt. Man hat ja Verantwortung, ne?
So zogen wir los, die Edertaler das Fürchten zu lehren. Naja, in erster Linie erstmal die eigenen Bedenken in den Griff zu bekommen. Klar waren wir in dieser Formation auch schon im Gelände, aber mit durchweg routinierteren ReiterInnen, bei denen unsere Drei kein Wässerchen zu trüben vermochten.
Es ging ein Stückchen durch den Ort, an Feldern und Wiesen vorbei, bergauf erstmal, um das erste Mütchen zu kühlen und den Reiterinnen Sicherheit zu geben. Ich erklärte den Sitz in verschiedenen Variationen bei Bergauf und Bergab, alles klappte wunderbar, die Sonne schien und ich liebte meinen Job und meine Truppe. Dann ging es durch ein kleines Wäldchen wieder hinunter zu den Auenwiesen der Eder, wo ein kleiner Pfad  zum Traben einlud. Ich bereitete meine Gruppe darauf vor und wies sie an, schön hintereinander zu bleiben, egal was passiert. Copine würde keinen vorbeilassen. Der Weg ging nach ein paar hundert Metern rechts wieder bergan, wer sich traute, dürfe dieses letzte kleine Stück galoppieren. Hui, da kam Freude auf!
Wir trabten also malerisch in der Reihe über diesen schönen kleinen Pfad und die kleine Galoppstrecke kam immer näher. Meine Copine gab den Takt an, nicht eilig, schön locker und gelassen und das tat allen gut. Und jetzt hob ich den Arm zum Zeichen, dass wir im ruhigen Kanter bergauf galoppieren würden. Alle bereit? JAA - und los ging es. Und zwar so richtig, denn Moni sah ihre Chance nun gekommen, Copine wie beim Kentucky Derby die Hinterhufe zu zeigen und setzte zum Überholen an. Wie schnell der Blondschopf auf einmal werden konnte, sie, die in den Stunden doch eher zur Gemütlichkeit neigte. Es steckte doch mehr in unserer Moni, als bisher erkannt.
Allerdings fand dieses Rennen doch eher in Monis Phantasie statt, denn Copine hatte schon längst Lunte gerochen und vereitelte den Überholversuch, noch bevor Moni auch nur auf Höhe ihrer Kruppe kommen konnte. Nun zeigten sich auch konditionelle Schwierigkeiten bei der Haflingerin, denn sie neigte wohl eher zum Sprinter als zum Steher. Ich für meinen Teil fragte mich nur gerade, wie sie so flott an der gar nicht mal so langsamen Wuschel vorbeigekommen sei, als.....
WUSCHEL!
Weiter unten, an der Eder entlang, hörte man rhythmisch galoppierende Pferdehufe auf Waldboden, dazu aufgeregtes Schnorcheln.
Wuschel hatte die Weggabelung nicht mitbekommen und ist begeistert an der Eder entlang weitergewetzt. Berauscht an der eigenen Geschwindigkeit hatte sie uns aus den Augen verloren. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich wohl so ähnlich wie in diesem romantischen Black Beauty-Vorspann aus den Siebzigern. Im Sattel heute mal  nicht Victoria Gordon, sondern Marie T. aus S. 
Ouuha. Nun hatte Wuschel wohl realisiert, dass sie allein auf weiter Flur war. Selten hatte diese Redewendung soviel Wahres in sich. Mit einer Wendung auf der Hinterhand, die selten so schnell ausgeführt werden konnte, zeigte die Polenstute nun ein weiteres Element aus ihrem Repertoire, mit dem sie in jeder Westernshow hätte glänzen können. Wuschel, die vielseitige. Alles außer Springen. :-)
Wenn Doni übrigens gekonnt hätte, hätte er mit einer hochgezogenen Augenbraue diese Szene missbilligend betrachtet. Wie kann man sich draußen nur so schlecht benehmen. Ein leichter Schleier des Fremdschämens überflorte sein dunkles Auge.
Wuschel näherte sich nun energisch ihrer verlorenen Herde und wir standen quasi Spalier, um die Tagessiegerin gebührend zu begrüßen. Und so kam sie in die Zielgerade: Schnaufend, schwitzend und mit einer überraschend fröhlichen Marie gottseidank noch im Sattel. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung!
"Man, was das endgeil!" schnappte sie, endlich angekommen, nach Luft. Gut, ich hätte es etwas anders ausgedrückt, aber wir waren ja alle mal jung. ^^
Wuschel hatte feuerrote Nüstern und Riesenaugen. Ich glaube, ihr war die Situation etwas peinlich, aber sie hatte immerhin richtig Spaß auf der Buschstrecke.
Von Lachanfällen geschüttelt ritten wir wieder zurück zum Stall. Die Pferde waren nun tiefenentspannt und gingen alle am langen Zügel das letzte Stück über die kleine Brücke und dann alle in die Eder zum Beine kühlen. Alle -- außer meiner Copine. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Wie gesagt. viele Reitausbilder nennen Ausritte mit Schulpferden "Himmelfahrtskommando". Nun, die haben wohl was verpasst. ;-)

Liebe Grüße an alle Schulpferde mit Zweitausbildung als Derbysieger von
Copine (und Copine)! 

PS.: Hier gibt's für Nostalgiker den tollen Vorspann aus Wuschels Phantasie!
https://www.youtube.com/watch?v=ryyBa4dgCG0


2 Kommentare:

  1. Respekt an alle Ausbilder, die sich nicht davor drücken, diesen Teufelskreis zu durchbrechen!

    Liebe Grüße von Nel,
    deren gestandener Trakehnerhengst bei einem solchen Himmelfahrtskommando mal von einem Haflinger vor einem unsichtbaren Waldgeist gerettet werden musste ... ;-)

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    1. Die Geschichte musst du unbedingt mal bloggen, Nel! ;-)

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