Montag, 6. Oktober 2014

Wie Hund und Katz'

Ich kann wohl behaupten, dass mein Rowdy ein ziemlich cooles Hundeleben führen durfte: Morgens mit raus in den Stall und da wichtige Dinge erledigen wie Stöckchen oder Spielzeuge im Misthaufen vergraben, bei Regen Steine vom Dressurviereck holen, die Shettys anbellen, von der Postbotin ein Leckerlie abgreifen oder einfach nur Wache schieben. Oder einem seiner Lieblingshobbies nachgehen, und das war leider die gnadenlose Jagd auf die Stallkatzen.
Die Stallkatzen waren eine Sorte für sich: Sie sorgten dafür, dass die Mäusepopulation nicht zu stark wird, standen stets zur allgemeinen Fütterung parat (und sie bekamen genügend Futter, weil mehrere Einsteller der Meinung waren, dass die armen Kätzchen am Verhungern wären), liebten weiche Unterlagen wie Stalldecken, Fleece-Abschwitzdecken und ganz besonders diese Lammfell-Sitzbeinhöckerschoner für den empfindlichen Reiterpo im Winter. Man traf sie überall auf der Anlage an, in der Reithalle, im Heulager, in den Sattelkammern (weiche Unterlagen!) und gerne auch mal schnurrend auf eingedeckten Pferderücken sehr zum Wohlgefallen der Pferde. Ab und zu gab es klägliches Maunzen aus der Futterkammer, wo natürlich die Mäuse des Hauses regelmäßig "all-you-can-eat"-Partys abhielten, denn trotz allem Luxus vergaßen die Katzen ihren Job nicht, und der war nunmal die Bekämpfung von Schadnagern.
Rowdy kannte alle diese Aufenthaltsplätze der Katzen und klapperte diese regelmäßig ab: Mit lautem Knurren begegnete er unseren kleinen "Lohnarbeiter" eher unfreundlich und ich würde nicht behaupten wollen, dass er da nur spielen würde. Nein, das meinte er ernst, so freundlich und aufgeschlossen er sonst im Wesen war.

Besonders ein kleiner Kater, den ein Heubauer uns mal mitgebracht hatte, namens "Peterchen" hatte darunter zu leiden. Er war noch kein halbes Jahr alt und gerade eingelebt, da saß er lieb und süß in der Sattelkammer und ich muss zu meiner Schande gestehen, da habe ich einen Moment nicht richtig aufgepasst. Peterchen kannte Rowdy und seinen Katzenhass noch nicht und strahlte ihn mit dem"Willst-du-mit-mir-spielen"-Gesichtchen an. Er war wirklich besonders hübsch, so schwarz mit weissen Pfötchen und Lätzchen und seinen bernsteinfarbenen Augen. Und was macht mein doofer Hund (und das war einer der wenigen Momente während unserer gemeinsamen Zeit, wo ich ihn hätte an die Wand quacken können!) der knurrt nicht mal, packt sich das arme kleine Peterchen zwischen die Kiefer und schüttelt es einmal kräftig durch. Der kleine Kater schrie zum Gotterbarmen, ich stürzte heran und packte mein mißratenes Hundevieh am Nackenfell und am Ohr und brachte ihn so dazu, seine so mißhandelte Beute wieder freizugeben! Schnell schnappte ich mir das schrill maunzende Katzenkind mit der einen Hand, mit der anderen hatte ich Rowdy am Halsband und schubste ihn unsanft in eine freie Pferdebox. So, der war schon mal außer Gefecht. Nun das Katzenkind unter die Lupe nehmen und mir war sofort klar, dass hier ein Tierarzt her musste.
Eine Reiterin, die gerade mit ihrem Pferd fertig war und auf das Geschrei aufmerksam wurde, fuhr uns alle zum Hoftierarzt.
Rowdy konnte ruhig noch ein wenig in seiner Box schmoren, das hatte er ja schließlich auch irgendwie verdient.
Der Tierarzt tat, was getan werden musste: Er guckte streng, leitete sofort eine Narkose ein und flickte das arme Peterchen wieder zusammen. Es hatte innere Verletzungen erlitten durch die Schüttelei und konnte um Haaresbreite noch gerettet werden. Es tat mir so unfassbar leid und ich wollte das unbedingt wieder gut machen.
Peterchen musste ein paar Tage beim Doc bleiben und diese Zeit war für mich so schrecklich. Immerhin war der Darm gerissen und wurde wieder zusammengenäht, aber sein Zustand war kritisch. Laut Tierarzt würde das Peterchen vielleicht nun für immer klein und mickrig bleiben! Und ich  und mein ungezogener Hund waren schuld daran.
Um mein Gewissen zu besänftigen, kaufte ich ab sofort nicht nur Hundefutter, sondern auch das feinste Katzenfutter ein, ein Kuschelkissen und extra Katzenmilch. Als Peterchen wieder nach Hause kam, sollte er den vollen Luxus haben in seiner Genesungszeit und ich würde ihn hüten wie meinen Augapfel. Sollte Rowdy zu denken geben.
Das tat es aber nicht. Er machte weiter Jagd auf Katzen, zumal es auch unser Job war, abends die kleinen Samtpfoten aus den Sattelkammern zu vertreiben, weil sie sonst die Alarmanlage auslösen würden. Hm.
Das Peterchen wuchs heran und wurde entgegen der Annahme des Tierarztes ein besonders großer und besonders schneller und besonders hübscher Kater. Viele waren besorgt um ihn und brachten ihm diverse Leckereien mit, die er stets hoheitsvoll annahm. Er kam auch auf Menschen zu und ließ sich gerne kraulen und trösten. Und er wurde wirklich viel getröstet und bald war er wieder auf dem Damm.
Aber eines hat er nie vergessen: Den Angriff von Rowdy!
Es schien, als würde er extra noch wachsen und kräftig werden, um sich eines Tages, eines schönen Tages an ihm rächen zu können. Rowdy hatte nun einen echten Feind, der hinter jeder Ecke lauern und ihn seinerseits attackieren könnte.
Man kennt das ja von Katzen: Manche wirken zart und schmal, um innerhalb des Bruchteils einer Sekunde zu einer Fellkanonenkugel aufzupuffen. Peterchen wirkte weder zart noch schmal, und wenn er sein Fell aufstelle, wirkte er doppelt so groß und doppelt so breit und dazu dieser pure Hass in seinen Augen!
Übrigens hatte er es tatsächlich nur auf meinen Deppenhund abgesehen. Und eines Tages stellte Peterchen ihn im Treppenhaus, auf einer Fensterbank sitzend, sofort in Kampfbereitschaft, während Rowdy noch nicht gecheckt hatte, wer da auf ihn lauert.
Der Angriff war kurz, schmerzhaft und extrem intensiv und ehe man es sich's versah, lief ein schwarzes Fellbündel fauchend die Treppe hinunter zur Türe hinaus und ein schwarzes, verstörtes, etwas ramponiert aussehendes Fellbündel die Treppe hinauf in die rettende Wohnung.
Peterchen hatte es geschafft. Seine Rache an Rowdy war eine blutige Nase mit tiefen Schrammen, ein Biss ins Ohr und ein paar Schrammen sehr dicht am Auge. Das hätte in selbiges gehen können!
Ich seufzte, tröstete mein nun seinerseits misshandeltes Hundetier und versorgte seine Wunden. Ein ganz klein bißchen dachte ich dabei aber "selbst schuld, mein alter Freund".
Peterchen kam als klarer Sieger aus dem Kampf und glaubt es oder nicht, ein paar Tage lief er durch die Stallgassen wie Rocky Balboa nach seinem Sieg über Ivan Drago. Und Rowdy hat von nun an echt aufgepasst, in welche Ecke er seine schmerzende Nase gesteckt hat. ;-)
Sagt mir nicht, Tiere könnten nicht denken und fühlen wie wir. Ich habe so viele Situationen erlebt, die das Gegenteil beweisen.

Die beiden sind natürlich niemals Freunde geworden, aber sie haben einander respektiert und sind noch ein paarmal aufeinandergetroffen. Aber niemals mehr ist es so dermaßen eskaliert. Zum Glück, denn man darf eine Katze nicht unterschätzen.
Rowdy musste das auch erst lernen  . Rowdy 1-1 Peterchen.

Liebe Grüße vom
Copinchen und passt mir auf eure Tiere auf! :-)

1 Kommentar:

  1. Nachträglich eine Portion Mitgefühl an beide Parteien
    wünscht NelBlu
    (widmet sich gerade den Folgen eines Zahnverlusts bei ihrem Kampftiger - Tierarzt vermutet, Zahn steckt noch im Feind ...)

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