Panjo
Der kleine rot getigerte Kater streckte sich im Sonnenlicht, gähnte noch
einmal herzhaft und machte sich dann auf den Weg, um seine Umgebung zu
erkunden. Seit ein paar Tagen konnte er seine kleinen blauen Äuglein
öffnen und blickte seitdem sehr neugierig in die Welt. Da waren noch so
viele andere Tiere, und diese galt es jetzt kennenzulernen.
Nur noch schnell einen Schluck Milch bei seiner Mutter genascht und dann konnte es auch schon losgehen!
Tapsig kletterte er aus dem Heu, in dem seine Mama ein gemütliches Nest
für ihren Nachwuchs eingerichtet hatte. Noch unsicher watschelte Panjo
über den harten Stallboden hinaus ins Freie.
Ah, da vorne trippelte glucksend ein seltsames Tier vorbei. Es pickte im
Boden nach Essbarem und besaß kein Fell, sondern Federn und seltsam
geformte, gelbe Füße. Und davon auch nur 2. Die Mitte des Gesichts ohne
Schnurrhaare zierte ein großer ebenso gelber Schnabel, in dem emsig
Futterkörner verschwanden.
„Hallo du. Ich bin Panjo und wie heisst du? Was bist du? Was machst du?“
Man sagt jungen Katzen ja eine gewisse Neugier nach, und Panjo war noch
ein ganzes Stück neugieriger als seine 4 Geschwister, die noch bei Mama
im Heunest herumkrabbelten.
„Ich bin Berta, und ich bin ein Huhn. Ich picke den lieben langen Tag mein Futter auf und lege dann Eier im Stall.“
„Aha. Und warum?“
Panjo war wirklich besonders neugierig.
„Die Menschen sammeln sie ein und essen sie auf. Ich werde dafür von
ihnen beschützt und muss keine Angst vor Füchsen haben.“ Oder vor
kleinen, neugierigen Katzen, fügte Berta in Gedanken hinzu.
„Aha. Schön! Bis dann mal!“
Panjo hopste einer Hummel hinterher, die ihm um die Nase herumschwirrte.
Er war nicht nur neugierig, sondern auch unheimlich verspielt!
„Hallo! Ich bin Panjo und du? Was bist du? Was machst du?“
„Ich bin Hotte, die Hummel! Und ich ssssssammle Pollen und ich kann fliegen. Juhuuu!“
Hotte sauste noch einmal eine Extrarunde um Panjos Köpfchen herum.
„Aha, und warum machst du das?“
„Damit die Pflanzenblüten bestäubt werden und später Früchte tragen.
Bestäuben ist super, versuch es doch auch einmal! Ach, halt, du kannst
ja gar nicht fliegen!“ Kichernd schwirrte Hotte ab. Panjo rieb sich das
Näschen, nieste einmal kurz und tapste weiter. Vor einem sehr großen
Tier blieb er stehen. Das Riesenvieh lag im Gras und machte seltsame
Kaubewegungen, ohne wirklich etwas zu fressen.
„Hallo, du Riese! Ich bin Panjo und du? Was bist du und was machst du?“
Das riesige braunweisse Tier senkte bedächtig den Kopf und betrachtete
den kleinen roten Kater. Dann senkte es sein linkes Horn und zwinkerte
Panjo freundlich zu. Seine großen, wunderschönen Augen schienen ihm
zuzuzwinkern.
„Hallo, Panjo! Ich bin Lotti und ich bin eine Kuh. Und ich fresse Gras
und wandere von Lieblingsstelle zu Lieblingsstelle auf der Weide und
mache ab und zu ein kleines Nickerchen. Dann kann ich mein Futter
nochmal fressen, das nennt sich „Widerkäuen“ und ist ziemlich cool. Ich
hab nämlich immer was zu Knabbern dabei.“
Panjo konnte mit „Knabbern“ noch nicht so recht etwas anfangen, denn
schließlich trank er noch Milch an Mamas Bauch. Er hatte aber schon
versucht, ein paar Brocken von dem Katzenfutter aus dem Napf zu fressen,
was aber in einem Hustenanfall und Schimpfe von der Mutter endete. Wie
gesagt, Panjo war wirklich ein seeehr neugieriger kleiner roter Kater.
„Aha! Und dann, was machst du dann?“
Freundlich nickte Lotti ihrem sehr jungen Gesprächspartner zu.
„Jaa, dann gehe ich abends in den Stall an die Melkmaschine. Und gebe Milch, die Menschen trinken sie.“
„MILCH! Das kenne ich, das macht meine Mutter auch!“ Panjo war begeistert, einen gemeinsamen Nenner mit Lotti gefunden zu haben.
„Oh, na klar tut sie das. Aber auch einen ganzen großen Eimer voll?“
Staunend legte Panjo seine kleine getigerte Katzenstirn in nachdenkliche Falten.
„Oh, nein, soviel nicht. Leider! Aber trotzdem ist sie sehr, sehr
lecker. Meine Geschwister und ich streiten immer um die beste Zitze!“
Lotti lächelte bei der Vorstellung dieser Szene, sie hatte schon viele
Katzenmütter gesehen und sich stets gut mit ihnen gestellt. Und kleine
Kätzchen sind ja wirklich auch zu niedlich!
„Grüß deine Frau Mama mal lieb von mir. Sie hat ja gerade viel zu tun, euch kleine Racker aufs Leben vorzubereiten.“
„Danke, Lotti. Ich werds ausrichten!“ Panjo blinzelte Lotti noch einmal zu und zog dann weiter.
Etwas weiter hinten auf der grünen Wiese tänzelte ein noch größeres,
blendend weisses Tier mit großen Augen und roten Nüstern am Zaun
entlang. Sein seidiger Schweif wehte hoch aufgestellt im Wind und sein
gellendes Wiehern ließ Panjo kurz zusammenzucken. Dann fasste er sich
ein Herz und tippelte auf dem Schimmel zu. Er musste sich aber auf die
Hinterbeine stellen und sich ganz groß machen, um von dem immer noch
tänzelnden Tier überhaupt wahrgenommen zu werden. Zum Glück hatte es
gute Ohren, die es so sehr gespitzt hatte, dass sie zitterten.
„Hallo! Ich bin Panjo und du? Wie heisst du und was machst du?“ rief der
kleine Kater so laut er konnte. Mit sicherem Abstand wartete er, bis
der Schimmel endlich mal zum Stehen kam. Warm blies er Luft aus seinen
Nüstern auf Panjo.
„Hey, du kleines Ding, du passt ja genau in meine Hufe!“ trompetete das
Pferd. „Aber keine Angst, ich fresse dich nicht, ich bin Vegetarier.
Mein Name ist Hakeem und ich bin ein Araber. Quasi ein Pferd mit
Migrationshintergrund!“
„Aha“, sagte Panjo. „Und was machen Pferde so den ganzen Tag? Was ist
dein Job?“ Panjo hatte ja nun schon gelernt, dass manche Tiere Nahrung
produzierten oder dafür sorgten, dass Pflanzen sich vermehrten. Aber so
ein Pferd, was konnte das wohl zum Hofleben beitragen?
„Ich bin ein Reittier, ich trage oft einen Sattel und ein Zaumzeug und
dann reiten die Menschen mit mir aus. Dafür begeistere ich sie mit
meiner Schönheit und meiner Intelligenz und zusammen sind wir eins mit
der Natur. Und ein bisschen Sport ist es auch, manchmal springen wir
über Hindernisse und gehen auf Turniere!“
„Oh, das ist ja eine interessante Aufgabe. Richtig vielseitig!“ staunte Panjo. „Darf ich auch mal auf deinem Rücken sitzen?“
„Klar, steig einfach auf!“
Panjo reckte und streckte sich, aber es wollte einfach nicht gelingen. NOCH nicht.
„Du wächst ja noch“, tröstete Hakeem. „Ich hab Zeit, ich bin ein
Freizeitpferd!“ Friedlich schnaubend trabte der Schimmel weiter. Panjo
spitzte die Ohren, wie er es bei dem Schimmel beobachtet hatte, denn ein
anderes, großes schwarzes Tier hatte sein Interesse geweckt. Sein
Schwanz wedelte hin und her, es schien sehr aufgeregt zu sein.
Vorsichtig schlich Panjo sich an und baute sich vor dem hechelnden Tier
auf. Seine langen Schlappohren reizten ihn, damit zu spielen, aber das
wagte er nicht. Das Tier hatte sehr große, schneeweisse Fangzähne.
„Hallo! Ich bin Panj..“
„WUFF! WUFF! WUFF!“ Der Schwarze knurrte ärgerlich und fletschte die Zähne
Erschrocken hopste Panjo ein paar Schritte zurück. Sein rotgestreiftes
Fell sträubte sich, er sah nun völlig verändert aus: Doppelt so groß,
doppelt so dick und doppelt so gefährlich. Sein Gegenüber knurrte nun
bedrohlich.
„Oh warte. Das kann ich auch!“ maunzte Panjo und es entfuhr ihm ein
knurrender Laut, der aber mehr wie ein nettes Schnurren klang.
„Das üben wir aber noch“, kicherte der Schwarze und legte sich flach auf
den Boden, um den kleinen Panjo besser in die Augen schauen zu können,
der im Seitwärtsgang vor ihm auf und ab hopste.
„Beruhige dich, ich wollte dich nur ein bisschen erschrecken! Du bist ja
ein mutiger kleiner Kerl, normalerweise hauen die Katzen immer vor mir
ab. Ganz schön tapfer! WUFF!“ grinste der Hund.
Panjo spitzte die Ohren. „Abhauen“ hatte er noch nicht gelernt,
schließlich war es sein erster Trip raus aus dem Heunest. Dann erstarrte
er, denn im Augenwinkel sah er Lucie, seine Mutter, näherkommen. Schon
packte sie ihren Nachwuchs im Nacken, streifte Barko mit einem
vernichtenden Blick und wollte gerade zu ihrer kleinen Familie
zurückgehen.
„Lucie, warte mal. Du hast da ein besonderes Prachtexemplar zum Sohn,
aus dem könnte ein toller Stallkater werden! Der Bursche hat Mut!“
„Der Bursche kriegt jetzt erstmal Unterricht im Mäusefangen“ zischte
Lucie zwischen den Zähnen hervor, die Panjo im Nackenfell hielten. „Er
ist wirklich SEHR neugierig!“ Hocherhobenen Hauptes trug sie ihren
Prachtsohn zurück ins Nest, wo sie ihn erst einmal ausgiebig putzte.
Sein rotes Fell leuchtete in der Morgensonne. Lucie beschloss, ein
besonderes Auge auf ihren kleinen Panjo zu haben, das erschien ihr mehr
als notwendig.
Panjo hatte bei seinem ersten Ausflug viele Erfahrungen gemacht, und er
hatte gelernt, dass jedes Wesen auf dem Hof seine Aufgabe hatte. Egal
wie es ausschaute oder was es tat und konnte. Jeder war auf seine ganz
eigene Art und Weise etwas ganz besonderes, und er selber auch! Diese
Erkenntnis machte Panjo fröhlich und so schlief er zufrieden am
flauschigen Bauch seiner Mutter ein.
Natürlich würde er morgen wieder losziehen, es gab ja schließlich noch sooooo viel zu entdecken!