Dienstag, 15. März 2016

Narben

Was bleibt nach einer Verletzung oder einer Operation als meist unschön sichtbares Mal auf der Haut zurück?
Richtig, eine Narbe.
Mehr oder weniger ausgeprägt, je nach Körperstelle leicht zu verdecken oder auch nicht.
Die meisten schämen sich für Narben, verstecken sie, werden bei ihrem Anblick immer wieder an diese Verletzung oder den chirurgischen Eingriff erinnert. Fühlen sich entstellt und wie ein häßliches Entlein.
Manche heilen leicht, werden sogar wieder unsichtbar, andere wiederum schmerzen noch lange Zeit und bleiben reizbar. Stören. Sehen scheinbar hässlich aus, entzünden sich, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Bringen ihren "Besitzer" immer wieder in die Situation zu erklären, woher sie stammt, sollte sie mal ans Tageslicht geraten. Viele Narbenträger wollen gar nicht an die Entstehung erinnert werden, es ist ihnen peinlich. Manchmal wird man bedauert, möglicherweise auch ausgelacht oder hinterrücks belästert. Deshalb sind Narben in unserem Kulturkreis nicht gesellschaftsfähig und müssen zwangsläufig verdeckt werden. Nichts ist schlimmer als in den negativen Fokus der hiesigen Lach- und Spaßgesellschaft zu geraten!
Dabei zeugen Narben nur von erlebtem Leid, und das ist keinesfalls peinlich! Man muss nur selbstbewusst genug sein, jenen Lästermäulchen mitzuteilen, dass man Schlimmes überstanden hat und froh ist, dass eine Narbe zurückgeblieben sei, dass die Verletzung geschlossen und nichts Böseres daraus entstanden ist. Aber mach das mal! Meistens wird nichts draus, weil man eben doch nicht selbstsicher genug ist. Stattdessen zieht man den Ärmel tiefer runter, schliesst den Reissverschluss der Jacke höher oder/und zieht sich die Hose höher, um zu verstecken.
Es gibt allerdings noch eine andere, gefährlichere Art von Narben, die wesentlich schmerzhafter ist als die bekanntere Variante. Die immer aufs neue wieder aufzubrechen droht, die man nicht sehen, aber hin und wieder mehr oder weniger spüren kann, die ihren "Besitzer" vernichten kann: Das sind die Narben, die seelische Verletzungen hinterlassen haben!
Diese heilen generell sehr schlecht wieder zu einem kompletten Ganzen zusammen, weil sie sehr fragil sind und ihren Träger immer wieder subtil daran erinnern, dass sie noch vorhanden sind. Die jede Menge Erinnerungen abgespeichert haben, die sich auf Nachfrage nur bruchstückhaft oder gar nicht äußern lassen, die sich so tief eingegraben haben in das umliegende Gewebe, dass man sie auch gar nicht mehr ignorieren kann. Jede Kleinigkeit in der Umwelt, im Umfeld, im Zwischenmenschlichen ruft allzu leicht eine erneute Reizung der Narbe hervor. Wird man darauf angesprochen, zieht man sich daher reflexhaft zurück, um keine erneute Verletzung zu riskieren, die unweigerlich kommt, denn seelische Narben werden in unserer Leistungsgesellschaft nicht anerkannt. Man ist "anders" mit einer solchen unsichtbaren Geschichte, wird leicht ausgegrenzt, und bevor das geschieht, ergreift man lieber selber die Flucht und krabbelt ganz nach hinten in das Schneckenhaus, um das Telefon zu ignorieren und die Türklingel nicht mehr zu hören. Die Folge ist Isolation. Schlimmstenfalls dauerhaft.
Deutschland hat auch solche Narben, und Deutschland läuft zur Zeit große Gefahr, einige sehr große wieder neu aufbrechen zu lassen. Das Schneckenhaus steht schon bereit!
Ich finde, einige haben sich am "Superwahlwochenende" echt verwählt, gedankenlos, mit der breiten Masse (wie immer auch diese mobilisiert werden konnte!) mitgegangen, um eventuell eben nicht ausgegrenzt zu werden. Ohne sich weiter zu informieren, was sie da angekreuzt haben. Einfach mal so, dem Mainstream folgend. Protestwahl? Da muss ich doch mal bittersüss lachen!

Was immer jemanden dazu bewegt hat, die AfD oder gar die NPD zu wählen, ich werde es nicht nachvollziehen können. Dazu sind meine Narben viel zu tief.

Nachdenklich,
euer Copinchen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Empfohlener Beitrag

Eine weihnachtliche Soap-Opera aus irgendeinem Mehrzweckstall im Münsterland! Die HauptdarstellerInnen: Mäxchen Romi aka "...