Mittwoch, 2. August 2017

Endlich Urlaub Vol. III – Morgens um halb 5 ist die Welt noch in Ordnung!

Kennt ihr das, wenn ihr in einer völlig ungewohnten Umgebung wach werdet und erstmal sortieren müsst, wie ihr dorthin gekommen seid? Und warum?
Anscheinend erging es den Tieren ganz ähnlich, denn Hündin Dolly stand auf einmal Nase an Nase mit mir in dem Schlafzimmerchen des kleinen Ferienhauses, in dem ich die untere Etage des praktischen mehrstöckigen Bettes belegt hatte. Sie schien sehr in Sorge zu sein, dass wir ihr Futter vergessen haben könnten, denn sie fiepte und schleckte sich ein paarmal um die Lefzen.
 Ihr eigentliches „Herrchen“, mein Bruder, lag im oberen Bett und schlief noch tief und fest und Dolly war anscheinend happy, wenigstens mich gefunden zu haben. Mein Rüde Axel stand derweil in der Zimmertür, die Dolly wie auch immer geöffnet hatte und schaute missbilligend auf seine aufdringliche Gefährtin. Nie im Leben hätte er selber es sich erlaubt, einfach an ein Bett zu treten und auf seine Fütterung zu bestehen! Axel hatte eine hervorragende Erziehung genossen, und wie (fast) jeder Vertreter seiner Rasse war er sehr pflichtbewusst und stets zu Diensten. Dolly bildete in dieser Hinsicht offensichtlich eine große Ausnahme, denn sie trug wohl die äußerlichen charakteristischen Rassemerkmale eines Deutschen Schäferhundes, besaß sogar hervorragende, beglaubigte Papiere mit mehreren Bundessiegern im Stammbaum. Vom Betragen her war sie aber eher das komplette Gegenteil von Axel, der – so bildete ich mir jedenfalls ein – immer wieder mißbilligend eine Augenbraue hochzog, wenn die Hündin wieder einmal gegen seine fest verankerten Statuten verstieß.

Axel – man erinnere sich, meine Oma fand ihn im Tierheim so toll, dass sie ihn sofort für mich adoptierte – war nicht nur äußerlich eine Augenweide von einem Schäfi, er besaß auch die nötige Contenance, um als Familienhund auch in Gesellschaft nur positiv aufzufallen. Axel zog bei Spaziergängen nicht an der Leine, sondern „fragte“ gewissermaßen nach, ob er hier und da mal stehenbleiben und schnuppern durfte, wenn eine Stelle am Weg ihn besonders in die Nase stach. Axel wartete vornehm, bis er sein Futter vor der Nase stehen hatte, und erst wenn man ihm quasi erlaubt hatte, seine Schnauze in den Napf zu stecken, nahm er die Nahrung zu sich. Er fraß auch niemals alles auf einmal auf, sondern dosierte sich selbst sein Futter – was ihm oft genug zum Verhängnis wurde, wenn Dolly noch Hunger auf einen Nachschlag hatte. Mit der Zeit fraß Axel schließlich doch immer alles auf einmal auf. Allerdings wäre ihm nie eingefallen, Dolly wegen ihrer Verfressenheit zu maßregeln. Das war nicht seine Aufgabe, das wusste er genau. Ich glaube, Axel fand Dolly in den Anfangszeiten ziemlich unmöglich und wirkte gar ein wenig oberlehrerhaft und arrogant, wenn sie etwas angestellt hatte (und oh, sie hatte eine Menge angestellt!) aber mit der Zeit entdeckte er sein Herz für die arme, mißhandelte Hündin und später wurden sie geradezu unzertrennlich. Was aber nicht heisst, dass Axel nun alles toll fand, was Dolly so machte! So wie heute morgen zum Beispiel.

Kaum öffnete ich ein Auge, schon fühlte ich Dollys Zunge auf meiner Nasenspitze. Hmpf. Endlich mal Ferien und dann kann man noch nicht mal ausschlafen. Mein Blick fiel auf den Reisewecker: Halb fünf!
Draußen war es aber schon hell, die Sonne arbeitete sich gerade durch die Dünen am Horizont hoch. Verschlafen stand ich auf, öffnete die Terrassentüre und trat ins Freie. Diese Stille, diese Ruhe, in der Ferne das Meeresrauschen. Herrlich.
Dolly trat ebenfalls nach draußen. Plötzlich wurde ihr Blick starr, sie lauschte mit ihren Riesenohren in den Ferne und ZACK! - weg war sie! Nur ein paar Sekunden später erblickte ich sie im gestreckten Galopp durch die Dünen rennend, schon in einiger Entfernung. Mittlerweile hatte Axel ihre Position neben mir eingenommen und beinahe schien es, als würde er den Kopf schütteln. Diese Göre! Schien er zu denken, denn schließlich war Axel schon 9 Jahre alt und Dolly erst 3.
„Axel, los, wir müssen sie wieder einfangen! Wenn die wieder was anstellt! Du kennst sie doch!“
Ein wenig panisch war ich schon, als ich sie so hin- und herrennen sah im goldenen Sonnenlicht. Sie schien die zahlreichen Dünenkaninchen zu verfolgen. Auch zu Hause machte sie immer mal wieder mit ihren Jagdhundeskapaden von sich reden. Sie rannte dann einfach los, in den Wald hinein und kümmerte sich nicht um unser Hinterherbrüllen oder gar Verfolgen! Die war einfach weg! Irgendwann, nach einer halben oder auch 2 Stunden, tauchte sie dann wieder an dem Punkt auf, wo sie weggelaufen war, erschöpft, schwer hechelnd, zerkratzt und voller kleiner Ästchen und Dornen überall und ließ sich einfach neben Axel auf die Seite fallen. Erschöpft zwar, aber anscheinend glücklich...
Leider konnten wir ihr daheim diese Ausflüge nicht erlauben, deshalb blieb sie im Wald konsequent an der Leine. Aber hier..... es schien ja niemanden zu stören um diese Uhrzeit, oder...?
Axel fand es zwar nicht richtig, sie einfach laufen zu lassen, war aber - ebenso wie ich – noch nicht ausgeschlafen genug, um die Verfolgung der blitzschnellen Hündin aufzunehmen. Und wir wussten ja beide, dass sie wieder zurückkehren würde. Morgens um halb fünf ist die Welt ja immerhin noch in Ordnung, oder?
„Axel, lass sie mal“, sagte ich zu dem immer noch unruhig hin- und hermarschierenden Rüden. „Die kommt doch wieder.“
Axel legte besorgt die Stirn in Falten, wie nur Schäferhunde das können. Und vielleicht noch Bassets. „Das ist gegen die Regeln!“ schien er zu sagen. „Verboten!“
„Wir sind doch im Urlaub. Zuhause ist es wieder verboten, ok?“ beruhigte ich den Ordnungsfanatiker.
Dafür würde mir Markus Rüttger, der Hundeprofi, zwar ziemlich die Ohren langziehen, aber hey, ich war ja immerhin selber erst 13 Jahre alt. Ich hatte sozusagen wohl noch Welpenschutz.
So saßen Axel und ich in der phantastisch aufgehenden Morgensonne draußen, betrachteten die sich wunderbar verändernden Farben und vergaßen dabei Gott & die Welt, die Familie und auch Dolly. Doch plötzlich kam etwas Dunkles auf uns zugerannt, mit schlappernder Zunge, schwer hechelnd, zerkratzt und überall mit kleinen Zweigen und Kletten übersät, und ließ sich einfach neben Axel auf die Seite fallen. Schnell hoben und senkten sich ihre leider immer noch gut sichtbaren Rippen. Ich stand auf und holte eine Schale Wasser für sie. Axel ließ ihr wie immer vornehm den Vortritt und wartete, bis sie erholt genug war, um wieder aufzustehen und zu trinken.


Dieser Moment hat sich so intensiv in mein Gedächtnis eingegraben, dass ich ihn hier unbedingt niederschreiben musste. Es war einer der tollsten Morgenstunden, die ich je erlebt hatte: Allein mit diesen völlig unterschiedlichen Hunden gleicher Rasse, früher als früh, und dazu die faszinierende Natur der dänischen Küste. Noch heute freue ich mich über jeden schönen Sonnenaufgang und denke – wenn es dann endlich golden über die Hügel leuchtet – an meinen Axel und Dolly zurück und an das, was mir beide bedeutet haben.


Morgendliche Grüße vom
Copinchen! :-)


P.S.: Dolly ging von nun an jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe auf Karnickeljagd, war aber für die kleinen braunen Nager zu langsam, denn sie brachte nie ein Beutetier mit. Wahrscheinlich erzählen sich die dänischen Kanichen immer noch kichernd die Legende von dem großen sabbernden Ungetüm mit den Segelohren, dass wohl auf indianisch „Veganer“ genannt würde – das heisst ja übersetzt: „Zu doof zum Jagen!“ ;-)


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