Mittwoch, 21. Juni 2017

Warum eigentlich immer alles schnell-schnell?

Manchmal hat man das Gefühl, als ob man sich ständig selbst überholen muss, um nicht abgehängt zu werden. Kennt ihr, oder?
Auf einer kleinen Nordseeinsel lernte ich einst, dass es auch anders gehen kann. Und das war so:

Ich (die auch gern mal zur Hektik im Alltag neigt...) war auf einer Freizeit auf der Insel Baltrum diejenige, die sich morgens freiwillig zum Brötchenholen gemeldet hatte. Der vollen Verantwortung dieser Bürde bewusst, joggte ich also mit Einkaufskorb um viertel vor Acht los, um den Worten Taten folgen zu lassen. Der Insel-Edeka sollte um acht Uhr früh seine Pforten öffnen.
Ja, taten sie auch. Ich war also zur Stelle und gab dem Verkäufer meine Bestellungsliste, bereit, danach direkt wieder zum Haus zurückzutraben.

"Ich hätte gern diese Brötchenmischung *zettelrüberreich* es sind insgesamt 28 Brötchen". Zügig reichte ich ihm den Korb rüber, damit er sie schnell und übersichtlich verstauen könnte. Bezahlt wird an der Kasse, der Edeka nebst Bäckerei und Poststelle war in der Vorsaison quasi eine One-Man-Show.

"MOIN MOIN!" grüßte er mich in ruhigen Ton. "Du bist nich von hier, hm?!"
Da ich die Grußformel in der Hektik leider vergessen hatte, holte ich sie nach. "Moin erstmal. Nee, bin ich nicht. Aber ich muss wieder los, die Meute verlangt nach Frühstück!"

"Nu mol nich so hektisch, kleines Frolleinschn. Die Bröitschn brauchen nochn büschn."

"WIE BITTE?" Ich glaubte, mich verhört zu haben. 8 Uhr morgens und noch nix fertig? Wo sind wir denn hier? Und wer soll dieses kleine Frolleinschn wohl sein? Meint der etwa MICH? FRECHHEIT!
Ich verzieh ihm großmütig, wer das Essen hat, macht die Regeln. Das ist ein Naturgesetz.


"Jou, die brauchen mal noch gut 'ne Viertels-tunde, nech? Solln ja auch 'n büschn knusprich sein, nech?"

  Ich hatte unsere frühstückshungrige Meute vor Augen. Wir haben Hungerhungerhunger!

"Ääh, ja ok." Man muss sich den Gegebenheiten anpassen, so als Frolleinschn.

Auf Baltrum ticken die Uhren nämlich anders, viel langsamer, gemächlicher, entspannter. Vielleicht liegt das am fehlenden Autoverkehr, die ständig herumtrabselnden Pferdekutschen wirken auch viel gemütlicher als unsere Drängler und Raser auf der A30 und umzu's.

Ich betrachtete die anderen Kunden. Ich hatte ja nun Zeit. Ganze 15 Minuten. Eine Ewigkeit!

Seelenruhig suchte man sich Produkte aus, prüfte dies, betrachtete das, trug es zur Kasse und hielt erst mal ein kleines Schwätzchen mit der One-Man-Show, der nicht gerade zügig zwischen seinen einzelnen Posten hin- und herschlich. Oder wie ich es nannte: Kann man beim Laufen die Schuhe besohlen. Nur keine hektische Hast. Hier kommt ja keiner einfach so wech.

Warum hat man es eigentlich immer eilig? Verpasst man was, wenn man mal ein Viertelstündchen auf Brötchen warten muss? In der Vorsaison auf einer Nordseeinsel?

Draußen kam eine Pferdekutsche vorbei und hielt am Eingang an. Die schweren Kaltblüter standen unangebunden vor dem Geschäft. Selbst die Pferde strahlten Gemütlichkeit aus. Ruhe. Unzufrieden wirkten sie nicht! Ich trat nach draußen und strich ihnen über den blonden Schopf, über die weichen Nüstern. Sie waren top gepflegt, hatten trotz der schweren Arbeit Glanz in den Augen und waren wohl mit sich und der Welt zufrieden.
"Laufen die nicht weg?" fragte ich den Kutscher neugierig.
"Moinmoin!" antwortete er. Ich hatte schon wieder die Grußformel vergessen. Das Zauberwort zum Eindringen in die Welt der Norddeutschen Inselbewohner. Vor lauter Neugier und - Hektik.
"Moin", erwiderte ich kleinlaut. Frollein, wo bleiben deine Manieren. 
"Nee, wechlaufen tun die nich. Wieso denn auch." Ne, klar. Wieso denn auch.

"Frolleinschn, deine BRÖÖTCHÄÄN sind feddich!" rief es aus dem Laden heraus. "Ich mein, falls du jetz 'n büschn Zeit dafür häs." Belustigt zwinkerte er mir zu. Ich glaube, ich war nicht sein erster Patient. Dabei bin ich noch nicht mal 'ne Großstadtpflanze.
Beim Bezahlen sagte er noch "Komms-te morgen einfach 'n büschn später, dann mäch ich dir das schon mal feddich." Ich nickte nur noch, weil ich mich für einen Montagmorgen wohl bereits genügend blamiert hatte. Und ging ganz gemütlich zurück zum Haus, wo tatsächlich noch niemand den Hungertod gestorben war.

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