Sonntag, 6. November 2016

Erinnerungen aus dem verstaubten Fotoalbum: Dolly Vol. I

Neulich bin ich beim Aufräumen auf ein älteres Fotoalbum gestoßen. Kein digitales, nein, so ein richtiges Buch mit diesen Fotos, die man früher erst zum Entwickeln bringen musste, statt sie sofort nach der Aufnahme auf dem Rechner anzuschauen und irgendwo hochzuladen. Die jüngeren unter uns können es sich sicherlich nicht so richtig vorstellen, aber: Man hatte zu der Zeit noch kein Handy, wo man jeden Augenblick festhalten konnte!
Nun ja, in diesem richtigen echten Fotoalbum befanden sich Bilder, Erinnerungen, wertvolle Momente, und die meisten kennen das: Beim Anschauen dieser Fotos kommen dem Betrachter sofort unzählige "Weisst du noch"- Geschichten in den Sinn. Eine davon möchte ich euch erzählen (vielleicht werden es auch zwei)! ;-)

Ihr Name war "Dolly" und unsere erste Begegnung fand in der tristen Zwingergasse eines städtischen Tierheims statt. Dort, wo mehr als 20 Hunde auf ein liebevolles, neues Zuhause warten mussten und für den einen oder anderen sogar die Endstation drohte! Aber zur Vorgeschichte:
Meine Omi, meine Geschwister und ich hatten uns dorthin aufgemacht, um einen Hund für uns Kinder auszusuchen, es sollte einer vom Typ "Benji" sein: Relativ klein, wuschelig, freundlich und wachsam, ein idealer Spielpartner eben. Leider war diese Sorte Hund wohl zur Zeit gut untergebracht, denn im ganzen Tierheim war kein Einziger dieses Typs zu finden! Es gab tatsächlich nur Hunde ab 40 cm Schulterhöhe und größer.
Wir Kinder zogen schon lange Gesichter: Heute würde es wohl nichts werden mit einem Hund! - aber die Oma verliebte sich gerade in einen Schäferhundrüden, der einen gepflegten und wohlerzogenen Eindruck machte. Die Mitarbeiterin beschrieb ihn als gutmütig, aber schon älter und ruckzuck hatte ich seine Leine in der Hand und lief mit ihm eine Runde über den Hof. Sein Name war "Axel", sein Frauchen war kürzlich  verstorben und man konnte ihn quasi als "scheckheftgepflegt" bezeichnen. Natürlich wollten wir ihn mitnehmen und so machten wir uns auf den Weg ins Büro, um den geschäftlichen Teil zu erledigen.
Doch auf dem Weg dorthin hörten wir ein gar jämmerliches Winseln und das kam aus der hintersten Box, die auch noch ein wenig abgedunkelt war. Denn was sich darin befand, war wirklich nicht tageslichttauglich! Es handelte sich um ein "Etwas", dem das Leben bisher schlecht mitgespielt haben muss. Wir warfen einen genaueren Blick hinein und das, was uns dort etwas ängstlich entgegenstarrte, traf mich mitten ins Herz.
"Nun, das ist Dolly", sagte die Tierheimmitarbeiterin. "Wir haben sie vor vier Wochen bekommen, nachdem Tierschützer sie aus einem Keller befreit und mitgenommen haben. Sie ist dort schlecht behandelt worden, mehr darf ich dazu aus Datenschutzgründen nicht sagen. Soll ich sie mal herausholen?" Hoffnungsvoll schaute sie unsere Oma an, die das Portemonnaie quasi schon in der Hand hielt.
Oma nickte. Sie war ja selbst Hundebesitzerin und hatte ihre kleine Hündin von Herzen lieb und würde niemals zulassen, dass ihr Leid zugefügt würde.
Und was dann da aus dem Zwinger herausgekrochen kam, hat sich für immer in meine Hirnrinde eingebrannt. Es war erschütternd!
Die Hündin gehörte wohl ebenfalls der Rasse "Deutscher Schäferhund" an, man konnte es aber nur an der typischen Schnauze und der Kopfform erkennen. Die rassetypisch aufgestellten Ohren, liebevoll auch "Satelliten-TV-Empfänger" genannt, waren ängstlich nach hinten geklappt, ihr Körper wies einige Scheuerstellen und Wunden auf, das Fell war größtenteils ausgefallen und gab den Blick auf schorfige Hautstellen frei, aber auch auf Brandwunden, die von Zigaretten herrühren könnten. Diese fanden sich ebenfalls auf dem langen Nasenrücken wieder. Als Dolly nun vor Aufregung hechelte, konnte man unschwer erkennen, dass man ihr die Fangzähne ein ganzes Stück abgefeilt hatte.
Dolly kroch mehr, als sie lief, denn sie war komplett abgemagert und ihre lange Rute war zwischen den Hinterbeinen versteckt, so dass man sie nur erahnen konnte.
Alles in allem: Ein Elendsbild von einer Hund, der uns Kindern kollektiv die Tränen in die Augen trieb und natürlich auch Oma nicht kalt ließ. Sie packte entschlossen nach der Leine, die die Mitarbeiterin in der Hand hielt, legte Dolly vorsichtig das verschlissene Lederhalsband um den schorfigen Hals und drückte meinem Bruder das Ende der Leine in die Hand. Dann verschwand sie mit der Mitarbeiterin im Büro und ehe wir es uns versahen, gingen wir halb noch weinend, halb lachend mit unseren beiden Hunden durch das Tor des Tierheimes. Unfassbar: Wir besassen nun 2 Deutsche Schäferhunde, die unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können. Eigentlich sollten es ja - wir erinnern uns - "nur" einer oder zwei kleine Hündchen sein, aber DAS HIER hätte sich keiner von uns in seinen kühnsten Träumen ausmalen können. OMG! - wie man es heute ausdrücken würde!
Die Oma hatte sogar noch ein Taxi für uns bestellt, weil Dolly unmöglich den weiten Weg bis zum Bahnhof geschafft hätte und auch, um sie vor neugierigen Blicken zu schützen.
Ein weiter Weg lag also vor uns und der würde gewiss nicht in Kilometern zu messen sein....

Und wenn ihr wissen wollt, wie die Reaktionen auf unsere Neuerwerbungen zuhause ausgefallen sind, wie die Nachbarn geguckt haben und wie es mit der armen Dolly weiterging, dann schaut mal wieder hier herein! ;-)

Liebe Grüße
Euer Copinchen - und schaut euch doch mal wieder alte Fotoalben an! 


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